2. KAPITEL
London, drei Wochen später
Elliot unterdrückte ein Gähnen und fischte nach der Uhr in seiner Westentasche. Fünf nach zwei, und sein Freund Cunningham zeigte trotz der späten Stunde keinerlei Neigung zu gehen. In dem Spielsalon beiBrook’s herrschte eine Atmosphäre gespannter Aufmerksamkeit, nur gestört vom Rascheln der Karten, dem Klirren von Münzen oder den gemurmelten Ansagen der Spieler.
Elliot, der unter Einsatz seines Lebens um Bedeutenderes als Geld gespielt hatte, konnte nicht umhin, das alles ein wenig lachhaft zu finden. Anfangs hatte er, der Form halber, beim Faro ein paar Einsätze getätigt, doch während der letzten anderthalb Stunden schaute er nur noch zu.
Rastlos durchschritt er den großen, eleganten Raum und erinnerte sich der vielen ähnlichen Spielsäle, die er in ganz Europa besucht hatte. Doch nicht das Glücksspiel hatte ihn dorthin gezogen. Wie konnte Cunningham nur glauben, dass er, Elliot, einen Abend wie diesen amüsant fand? Zecherei und Glücksspiel ließ ihn kalt.
Zweifellos würde Cunningham, wenn er sich vom Spieltisch erhob, erwarten, dass sie sich der dritten von Gentlemen gepflegten Betätigung widmen würden, der Hurerei – gleichfalls ein Zeitvertreib, der Elliot nicht reizte. Er war nun ein Gentleman, zwangsläufig, doch zuallererst immer noch sein eigener Herr, wie schon immer – selbst als ihm seine Uniform noch Grenzen gesetzt hatte. Elliot reichte es.
„Lieber Cunningham“, sagte er, seinem Freund auf die Schulter klopfend, „für heute hatte ich Aufregung genug. Viel Glück beim Spiel. Und bei den Damen.“
„Du hast in diesem Bereich doch das meiste Glück, Elliot. Ich kenne keinen, der beim schönen Geschlecht erfolgreicher ist als du.“
„Du darfst Erfolg nicht mit Glück verwechseln“, entgegnete Elliot lächelnd. „Gute Nacht, mein Freund.“
Nachdem er sich Hut und Handschuhe hatte aushändigen lassen, trat er hinaus auf die Straße. Er hegte starke Zweifel, dass er von seiner neuen Mitgliedschaft im Club häufig Gebrauch machen würde.
Die Nacht war kalt, klamm und nebelig; nur hier und da zwischen den Wolken ein Hauch von Mondlicht. Genau richtig für einen Einbruch, wenn es auch noch viel zu früh war, um das erneut ins Auge zu fassen.
Kinsails Diamant hatte sich als schwer verkäuflich entpuppt. Da sein üblicher Hehler mit einem so unverwechselbaren Stück nichts zu tun haben wollte, war Elliot gezwungen gewesen, in die Niederlande zu reisen. Dort hatte er den Stein, wenn auch nur unwillig, teilen lassen und erst dann weiterverkauft. Kinsail hatte damals mehr für den geschmuggelten Edelstein gezahlt. Aber die Hauptsache für Elliot war, dass Kinsail mit dem Verlust jetzt für sein Pflichtversäumnis der britischen Armee gegenüber büßte.
Nicht, dass dem Mann das klar war, so wenig wie er verstand, welchen Preis diese Armee wegen seiner Versäumnisse gezahlt hatte. Männer wie Kinsail sahen Listen, auf denen Pferde, Maultiere, Ärzte gefordert wurden. Dinge wie Geschütze, Kanonen, Gewehre auf anderen Listen wurden aber oft vorrangig gewährt. Doch was nützte die neueste Haubitze, wenn es keine Zugtiere gab, um sie aufs Sc