1. KAPITEL
Das Telefon klingelte, und wie immer war der Zeitpunkt äußerst ungünstig. Oft schwieg das Ding tagelang, nur um genau dann zu klingeln, wenn Logan O’Brian gerade unter der Dusche stand oder weiblichen Besuch hatte. Oder es störte, wenn er sich – wie in diesem Augenblick – ein Baseballspiel im Fernsehen ansah. Und das war das schlimmste Szenario überhaupt.
Logan stellte den Ton leiser, griff nach dem Hörer und rief gereizt: „Ja?“
„Tut mir leid, wenn ich störe, Boss, aber wir haben hier einen Vorfall.“
Es war der gute alte Bob, Logans rechte Hand. Immer wenn ein Problem auftauchte, klang der pensionierte Polizist, als arbeitete er für einen Geheimagenten und nicht als Fahrer für die wohlhabende Gesellschaft Houstons.
„Es ist spät, Bob. Ich bin erst seit einer Stunde zu Hause und sehe mir gerade das Baseballspiel an. Also, wenn nicht jedes Fahrzeug, das ich besitze, auf einmal kaputt gegangen ist, können Sie es alleine regeln.“
„Wir sollen eine vollkommen betrunkene Frau nach Hause fahren.“
Das ist keine Seltenheit, dachte Logan. „Und was ist daran das Problem?“
„Es ist Jenna Fordyce.“
Die Tochter seines wichtigsten Kunden, Avery Fordyce. Logans Firma kümmerte sich um alle Transporte, die der Millionär benötigte. „Was ist mit Calvin?“
„Er hat frei. Ich würde es ja übernehmen, aber ich fahre eine Hochzeitsgesellschaft zum Flughafen. Der alte Fordyce vertraut Ihnen, und da dachte ich …“
„Schon gut, Bob.“ So viel zu seinem freien Abend, an dem er endlich mal richtig ausspannen wollte. „Ich regle das. Wo ist sie?“
„In einem Club namens La Danza. Er ist an der …“
„Ich kenne den Club.“ Im vergangenen Jahr war er öfters dort gewesen. Der Nachtclub lag nicht weit von seiner Wohnung entfernt, aber bis zum Anwesen der Fordyces musste man eine gute halbe Stunde einplanen.
„Der Türsteher hat vor fünf Minuten angerufen“, informierte ihn Bob. „Er sagte, er bleibe bei ihr, bis sie abgeholt wird. Sie muss in einem schlechten Zustand sein.“
Das überraschte Logan nicht. Das Lokal war für seine hochprozentigen Drinks berüchtigt. „In Ordnung. Bin schon unterwegs.“
Logan legte auf und lief die Treppen hinauf, um sich anzuziehen. Zu seinem ausgeblichenen blauen T-Shirt wählte er eine Jeans und Wanderstiefel. Einen solchen Aufzug hätte er bei seinen Angestellten während der Geschäftszeiten nie toleriert. Aber der betrunkenen Fordyce-Tochter fiel das sicher nicht weiter auf.
In der Tiefgarage entschied Logan, statt des Sportwagens den Geländewagen zu nehmen. Wer weiß, vielleicht wurde ihr übel? Gott, er hoffte, dass ihm das erspart blieb. Das würde seinen Abend vollends ruinieren.
Logan fuhr durch die Stadt und überlegte, woran er Jenna Fordyce in der Menge erkennen sollte, schließlich kannten sie sich nicht. Einmal hatte er sie auf einem gerahmten Foto auf Averys Schreibtisch gesehen: eine schöne, dunkelhaarige junge Frau auf ihrer Schulabschlussfeier. Daddys kleine Prinzessin … Wie deine Ex-Verlobte, durchfuhr es Logan, die behauptet hatte, schwanger zu sein. Zum Glück hatte er den Bluff aufdecken können, bevor er ihr in die Falle gegangen war.
Ja, von piekfeinen Ladys hatte Logan genug, und er bezweifelte, dass Jenna Fordyce sich von den anderen unterschied, vor allem, da sie das einzige Kind eines verwitweten Großindustriellen war