1. KAPITEL
Im Operationssaal drängten sich Kollegen und Studenten, die Dr. Trey Weldon, dem bekannten Neurochirurgen, bei der Arbeit zusehen wollten. Der Zustand des Patienten galt als hoffnungslos. Man hatte ihn an Dr. Weldon überwiesen, der eine riskante, aber vielversprechende Operationsmethode für solche Fälle entwickelt hatte.
„Es ist ja wirklich heute voll hier“, sagte ein Medizinstudent leise. „Jeder will dem Meister bei der Arbeit zusehen.“
„Ja, Dr. Weldon ist wirklich der Beste“, bemerkte ein zweiter Student bewundernd.
„Ruhe bitte.“ Eine Schwesternschülerin sah die beiden strafend an. „Dr. Weldon spricht.“ In ihrem Ton klang unüberhörbar Ehrfurcht mit.
Dr. Weldon war gerade dabei, die Probleme der arteriovenösen Missbildungen zu erklären, verschlungenen oder missgebildeten Arterien oder Venen im Gehirn, die sich mit der Zeit übermäßig dehnten, auf das umgebende Gewebe Druck ausübten oder sogar platzten. Er hob bei der Bemerkung der Schwesternschülerin automatisch den Kopf und sah Callie Sheely, die OP-Schwester, kurz an.
Ihre Blicke trafen sich nur für den Bruchteil einer Sekunde, aber er bemerkte das Funkeln in ihren großen dunklen Augen und wusste, dass sie unter dem Mundschutz über die Worte des jungen Mädchens lächelte.
Die Lippen des Chirurgen verzogen sich ebenfalls amüsiert. Vor nicht allzu langer Zeit hätte er nicht bemerkt, was es da zu lachen gab. Er fand damals auch die übertriebene Ehrfurcht völlig selbstverständlich. Er hatte sich mit den Jahren an Lob und Bewunderung dermaßen gewöhnt, dass es ihm ganz normal vorkam.
Bis Callie auftauchte. Trey würde nie ihr Grinsen vergessen, als ein jüngerer Kollege ihn übermäßig lobte. Das war das erste Mal, dass er sie im Operationssaal gesehen hatte.
Als er sie später gefragt hatte, hatte sie wieder gelacht und gemeint, sie fände es witzig, wie seine Bewunderer um ihn herumscharwenzelten und ihn mit Lob überhäuften.
Trey war von ihrer Offenheit überrascht gewesen. Bisher hatte es niemand gewagt, so mit ihm zu sprechen. Aber er ärgerte sich nicht darüber, sondern fand ihre Einstellung erfrischend.
„Natürlich ist die Bewunderung Ihrer Fans wirklich ehrlich“, hatte sie dann ernster hinzugefügt. Und diese aufrichtige Bemerkung hatte ihm mehr bedeutet als die anbetenden Blicke seiner jungen Kollegen und Studenten.
Seitdem sah er immer zu Callie hinüber, wenn die Komplimente wieder einmal etwas zu dick aufgetragen wirkten, und wusste, dass sie unter ihrem Mundschutz genauso lächelte wie er.
Trey fuhr mit der Operation fort und erklärte dabei seinen Zuschauern sein Vorgehen. Gleichzeitig musste er wieder an Callie Sheely denken, und wie wenig Ehrfurcht sie vor seinem gottähnlichen Ruf hatte.
Trey hatte die Fähigkeit, gleichzeitig verschiedene Dinge zu denken und zu tun und alles doch voneinander getrennt halten zu können. Es war eine Gabe, die er schon immer besessen hatte und die ihm selbstverständlich war.
Er bewegte den kleinen Finger leicht zur Seite, und Callie reichte ihm sofort das Gewünschte, ein kleines scharfes Skalpell, das er selbst für seine Zwecke entworfen hatte. Nur selten musste er Callie während einer Operation um ein Instrument bitten, höchstens dann, wenn zum Beispiel unvorhergesehene Komplikationen eintraten und er improvisieren musste.
Normalerweise wusste sie von früheren Operationen genau, welche Instrumente wann benötigt wurden. Und wenn er etwas anders machen wollte, dann ging er vorher mit ihr die einzelnen Schritte durch, und sie wusste, was von ihr erwartet wurde.
Trey bewunderte ihr fantastisches Erinnerungsvermögen wie auch ihre Fähigkeiten als Operationsschwester. Selbst in Stresssituationen blieb sie ruhig, und er hatte noch nie mit jemandem so gut zusammengearbeitet wie mit Callie Sheely. Im OP war sie wie ein Teil von ihm.
Diese Art von intuitivem Einklang war etwas ganz Neues für ihn. Ganz sicher hatte es so etwas in seinem privaten Bereich bis heute noch nie gegeben. Aber hier im Operationssaal waren Callie und er eins, verstanden sie sich ohne Worte und bildeten eine ung