1. KAPITEL
Dreißig.
Die große, dicke Drei vor der Null. Wenn es einen Geburtstag gab, der dazu animierte, das eigene Leben von Grund auf zu ändern, dann war es dieser.
Elizabeth Flippence betrachtete prüfend ihr Spiegelbild, hoffnungsvoll und fürchterlich angespannt zugleich. Ihre langen braunen Haare hatte sie sich gerade auf Kinnlänge abschneiden lassen, sodass die Strähnen locker und wild ihr Gesicht umspielten. Es sah zwar modern und weiblich aus, allerdings war Elizabeth nicht sicher, ob sie sich von der Friseurin wirklich zu einer neuen Haarfarbe hätte überreden lassen sollen.
Jetzt trug sie ein knalliges Rotbraun auf dem Kopf, das ziemlich auffällig war. Aber vermutlich brauchte es genau dieses i-Tüpfelchen, um Michael Finn heute dazu zu bringen, sie endlich zu bemerken. Und zwar – zur Abwechslung – als Frau und nicht als seine zuverlässige, professionelle Privatsekretärin.
Sie wollte ihre Beziehung zu ihm über die frustrierende Ebene des Platonischen hinausheben. Zwei Jahre Schwärmerei reichten wirklich – und das für einen Mann, der Berufliches und Privates anscheinend auf keinen Fall miteinander vermischen wollte.
Lächerliche Regel! Schließlich passten sie beide ganz hervorragend zusammen, und tief im Herzen wusste Michael das sicherlich auch. Es war doch wirklich nicht zu übersehen!
Seit Monaten wuchs ihr Frust über den unveränderten Zustand ihrer Beziehung, und Elizabeth hatte beschlossen, Michael genau heute aus der Reserve zu locken. Ihre Generalüberholung sollte zumindest schon mal sein Interesse wecken …
In einem Punkt hatte die Friseurin recht behalten: Der neue Farbton brachte Elizabeths Augen tatsächlich zum Leuchten. Außerdem rückte der pfiffige Haarschnitt ihre etwas zu lang geratene Nase in eine bessere Proportion zum Rest ihres hübschen Gesichts. Die exotisch hohen Wangenknochen und der volle Mund passten hervorragend dazu.
Die Veränderung war jedenfalls geschehen und würde nun hoffentlich auch den gewünschten Effekt erzielen. Sobald Michael einen Kommentar über ihr neues Erscheinungsbild abgab, wollte sie ihm erklären, dass es ihr Geburtstagsgeschenk an sich selbst war. Und vielleicht – bitte, bitte, bitte – schlug er dann ja vor, zusammen zu Mittag zu essen, um diesen Anlass gebührend zu feiern. Oder noch besser: ein gemeinsames Abendessen!
Sie wollte nicht länger bloß das Mädchen für alles sein, zumindest nicht ausschließlich in beruflicher Hinsicht. Aber falls es nicht klappen sollte, ihn als Frau zu beeindrucken … Elizabeth schnappte nach Luft, als sie sich ihre Situation vor Augen hielt.
Mit dreißig musste eine Frau allmählich ernsthaft darüber nachdenken, mit welchem Partner sie überhaupt ein ganzes Leben verbringen konnte. Vorausgesetzt, sie wünschte sich eine eigene Familie. Elizabeths Wahl war letztendlich auf Michael Finn gefallen. Doch falls er heute nicht endlich so etwas wie Interesse signalisierte, verschwendete sie vermutlich nur ihre Zeit, indem sie auf eine gemeinsame Zukunft mit ihm hoffte. Dann würde sie sich woanders umschauen und sich auf jemand anderen festlegen müssen …
Hastig verdrängte sie diesen deprimierenden Gedanken. Heute durfte ihre Einstellung nicht allzu negativ sein.
Optimistisch bleiben! Lächle, und die Welt lächelt mit dir! nahm sie sich vor. Das war einer von Lucys Leitsätzen, und damit fuhr Elizabeths Schwester ausgesprochen gut. Sie spazierte stets fröhlich und unbekümmert durch die Welt und hielt alle Schwierigkeiten mit einem strahlenden Lächeln von sich fern.
Als Elizabeth aus dem Bad kam, übte sie ihr eigenes Lächeln, denn heute konnte sie es gut gebrauchen. Gerade griff sie nach ihrer Handtasche, um sich auf den Weg zur Arbeit zu machen, da klingelte ihr Handy. Schon an der Melodie erkannte sie die Anruferin, und wenige Sekunden später hörte sie die aufgedrehte Stimme ihrer Schwester, die gerade mit ein paar Freunden das Wochenende in Port Douglas verbracht hatte.
„Hi, Ellie! Happy Birthday! Hoffentlich trägst du auch die Klamotten, die ich dir geschenkt habe!“
„Danke, Lucy. Und: Na, klar, das tue ich.“
„Sehr schön. Jede Frau sollte an ihrem dreißigsten Geburtstag umwerfend schön aussehen.“
Elizabeth lachte. Sie hatte sich von Lucy zu einem neuen Outfit überreden lassen, das sie sich allein niemals angeschafft hätte. Es bestand aus einem schwarzen, eng geschnittenen Bleistiftrock, der Hüften und Po betonte, und einer taillierten, schicken Bluse mit einem auffallend verführerischen Ausschnitt. Die tiefrote Farbe des Oberteils passte ausgezeichnet zu den frisch getönten Haaren.
„Ich habe mir die Haare abschneiden und rotbraun färben lassen“, verkündete sie.
„Wow, spitze! Das will ich unbedingt sehen. Gegen Mittag bin ich zurück in Cairns, dann schau ich bei dir im Büro vorbei. Aber jetzt muss ich dringend los!“
„Nein, tu das ni