1. KAPITEL
Aus der Luft sah die Küste von Varieo mit dem kristallklaren blauen Wasser und den unberührten Sandstränden wie das Paradies aus.
Vanessa Reynolds war erst vierundzwanzig Jahre alt, aber sie hatte schon auf mehr Kontinenten und in mehr Städten gelebt als die meisten Menschen in ihrem gesamten Leben. Das typische Schicksal einer Soldatentochter. Doch nun, so hoffte sie, würde sie in dem kleinen Königreich Varieo am Mittelmeer für immer ein Zuhause finden.
„Es ist wunderbar hier, Mia“, flüsterte sie ihrer sechs Monate alten Tochter zu, die endlich friedlich in ihrem Kindersitz schlief. Während des dreizehnstündigen Fluges hatte Mia immer wieder geweint.
Das Flugzeug ging in den Sinkflug über. Bald würden sie auf dem privaten Flughafen landen, auf dem schon Gabriel wartete, Vanessas … Nun, es kam ihr ein wenig seltsam und kindisch vor, ihn ihren Freund zu nennen, schließlich war er schon sechsundfünfzig. Aber ihr Verlobter war er auch nicht – zumindest noch nicht. Denn als er um ihre Hand angehalten hatte, hatte sie nicht Ja gesagt. Aber auch nicht Nein. Erst auf dieser Reise würde sie sich entscheiden, ob sie einen Mann heiraten wollte, der nicht nur zweiunddreißig Jahre älter war als sie, sondern auch ständig unterwegs und … ein richtiger König war.
Sie schaute aus dem Fenster. Je näher sie dem Boden kamen, desto nervöser wurde sie.
„Vanessa, in was hast du dich jetzt schon wieder reingeritten?“, hätte ihr Vater vermutlich gesagt, hätte sie nur genügend Mut gehabt, ihm die Wahrheit zu erzählen. Und dann hätte er ihr bestimmt noch vorgehalten, dass sie dabei war, einmal mehr einen großen Fehler zu begehen. Nun, sie hatte vielleicht nicht gerade die besten Erfahrungen mit Männern gemacht seit … seit der Pubertät. Aber dieses Mal war es anders.
Da mochte ihre beste Freundin Jessy noch so sehr zweifeln. Am Abend zuvor war Jessy bei ihr gewesen. „Jetzt scheint er ja ganz nett zu sein“, hatte Jessy gesagt. „Aber was, wenn er sich in seinem Land als rücksichtsloser Tyrann erweist?“
Vanessa wusste, dass sie ein Risiko einging. Aber Gabriel war ein Gentleman, und seine Gefühle für sie waren echt. Niemals würde er ihr Auto stehlen und sie hilflos in einem Diner mitten in der Wüste Arizonas zurücklassen. Er würde gewiss nie eine Kreditkarte auf ihren Namen ausstellen lassen, um diese dann rettungslos zu überziehen. Gabriel würde ihr nicht die große Liebe vorspielen, um sie dazu zu bringen, für ihn eine Seminararbeit in Geschichte zu schreiben – nur um sie anschließend für eine Cheerleaderin sitzen zu lassen. Und ganz bestimmt würde er sie niemals schwängern und anschließend verschwinden, während sie und das ungeborene Kind irgendwie sehen mussten, wie sie zurechtkamen.
Ein Luftloch schüttelte den Privatjet durch, und Mia wachte auf. Sie blinzelte kurz, dann begannen ihre Lippen zu zittern, und sie stieß ein ohrenbetäubendes Heulen aus.
„Keine Sorge, meine Kleine, alles wird gut!“, murmelte Vanessa und streichelte die Babyfaust. „Wir sind schon fast da.“
Bei der Landung begann Vanessas Herz wie wild zu schlagen. Seit Gabriel vor knapp einem Monat aus Los Angeles abgereist war, hatten sie zwar täglich geskyped, aber es war doch etwas anderes, als sich wirklich zu sehen. Was, wenn ihm ein Blick auf ihre zerknitterte Kleidung, ihren verschmierten Eyeliner und ihre bemitleidenswerten Haare reichte, um sie gleich wieder in die USA zurückzuschicken?
Mach dich nicht lächerlich. Das Flugzeug rollte zu dem geschützten Terminal der königlichen Familie. Natürlich war es ihr Aussehen gewesen, das Gabri