1. KAPITEL
Nicht ohne Grund wurde er „das Biest von Hajar“ genannt, das konnte Katherine jetzt sehen. Zahir S’ad al Din war genauso einschüchternd, wie man es ihm nachsagte. Und er war ein völlig anderer Mann als der, den sie vor Jahren getroffen hatte. Jetzt wirkte er kalt und unnahbar.
Allerdings konnte Katherine sich den Luxus nicht leisten, Angst vor ihm zu haben. Außerdem war sie an kalte und unnahbare Männer gewöhnt.
„Scheich Zahir.“ Sie trat einen Schritt auf den riesigen Schreibtisch zu. „Ich hatte auf Ihre Nachricht gewartet. Die ist jedoch nicht gekommen.“
Er sah sie nicht an, sondern hielt den Kopf über die Unterlagen gebeugt, die vor ihm lagen. „Richtig. Da drängt sich die Frage auf, weshalb Sie hier sind.“
Katherine schluckte. „Um Sie zu heiraten.“
„Ist dem tatsächlich so, Prinzessin Katherine? Ich hatte Gerüchte dieser Art gehört, wollte sie aber nicht glauben.“ Jetzt hob er den Kopf, und zum ersten Mal konnte Katherine sein Gesicht sehen.
Oh ja, er war wirklich Furcht einflößend. Seine ganze linke Gesichtshälfte war entstellt, das linke Auge schien seltsam leblos, ganz anders als das rechte. Und doch hatte Katherine das Gefühl, als könnte er direkt in sie hineinschauen.
Die Legende beschrieb ihn mal als Dämon, mal als eine Art Gott. Während sie ihn jetzt ansah, verstand sie, warum. „Ich hatte angerufen.“ Allerdings hatte sie nur mit Zahirs Berater gesprochen. Und wirklich eingeladen worden war sie auch nicht.
„Ich hätte nicht erwartet, dass Sie Ihr komfortables Schloss verlassen und den weiten Weg auf sich nehmen, nur um eine persönliche Ablehnung Ihres Antrags zu erhalten. Ich war der Ansicht, ich hätte meine Meinung deutlich genug gemacht.“
Sie reckte die Schultern. „Ich denke, Sie schulden mir ein Gespräch. Und ich kam auch nicht her, um abgewiesen zu werden, im Gegenteil. Ich erwarte, dass der Vertrag, der vor sechs Jahren geschlossen wurde, eingehalten wird.“
„Sie sollten Malik heiraten, nicht mich.“
Trauer überkam sie, wie immer, wenn sie an Malik dachte. Aber es war Trauer um ein junges Leben, das so früh ein Ende gefunden hatte, mehr nicht. Es war ihre Pflicht gewesen, Malik zu heiraten, und ja, sie hatte ihn gemocht, aber geliebt hatte sie ihn nicht.
Zuerst hatte sie geglaubt, ihr ständen alle möglichen Wege für die Zukunft offen, doch inzwischen wusste sie, dass sich nichts geändert hatte. Es war noch immer ihr Schicksal, für das Wohl ihres Landes verkauft zu werden. Das hatte sie längst akzeptiert. Welchen Bräutigam sie bekommen würde, war ihr letztendlich gleich. Statt Malik sollte es nun Zahir sein.
Wenn sie ihn allerdings jetzt anschaute, traten diese Gedanken in den Hintergrund. Die Realität sah anders aus als alle Theorie. Zahir war … Er wesentlichmehr, als sie sich vorgestellt hatte.
„Bisher hatte ich auch geglaubt, dass es nur um Ihren Bruder und mich ging. Doch als ich die Dokumente etwas genauer studierte …“ Ihr Vater hatte sich um alles gekümmert. Sie hatte es nicht sonderlich interessiert, war es doch nie um ihre Gefühle gegangen, sondern immer nur um einen Zusammenschluss für die Staatsräson. Sie hatte akzeptiert, dass eine Heirat die eine Pflicht war, die sie für ihr Land erfüllen konnte. Sie hatte sich die Dokumente nie selbst angesehen.
Bis vor Kurzem.
„Die Vereinbarung wurde mit Malik getroffen, das ist richtig. Doch wenn Sie sich den Wortlaut genauer ansehen, steht dort: ‚Für den Fall, dass Malik nicht den Thron von Hajar besteigt, soll die Heirat mit seinem Nachfolger stattfinden.‘ Und das sind Sie.“
Es war geradezu unsinnig: Da bettelte sie praktisch darum, dass er sie heiratete, wenn doch alles in ihr danach schrie, sich umzudrehen und zu gehen. Sie wollte ihn genauso wenig heiraten wie er sie.
Aber ihr Vater hatte nicht mehr lange zu leben, deshalb wu