2. KAPITEL
„Ich kann keinen Schritt mehr weiter. Ich bin völlig erschöpft.“ Gabrielles Stimme wurde lauter. „He, Sie! Haben Sie gehört, was ich gesagt habe?“
Doyle schlug noch einen weiteren Ast mit dem Buschmesser ab, bevor er sich umdrehte, sich den Schweiß von der Stirn wischte und sie ansah, als wäre sie ein besonders ekelerregendes Exemplar der Spezies Mensch.
Natürlich wusste sie, wie lächerlich sie aussehen musste, deshalb richtete sie sich zu ihrer vollen Größe auf. Sie waren jetzt seit Stunden durch den Dschungel unterwegs und kamen nur langsam voran, weil Doyle ihnen erst eine Bahn durch das Dickicht schlagen musste. Die Pflanzen schienen ein Eigenleben zu haben und zu versuchen, sie zurückzuhalten. Ihre Shorts erinnerten nur noch entfernt daran, dass sie einmal weiß gewesen waren, ihre Seidenbluse hatte einen langen Riss davongetragen, und ihre Schuhe, inklusive ihrer Füße, waren lehmverkrustet. Gabrielle wünschte sich nichts sehnlicher, als sich einfach hier auf den Boden fallen zu lassen und laut ihren Frust herauszuschreien, wie ungerecht das Schicksal war und wie übel es ihr mitspielte. Aber dieser verfluchte Mann da schaute sie so abschätzig an, dass sie sich dieses Bedürfnis verkniff.
„Zehn Minuten, mehr nicht. Und wenn ich Sie wäre, Miss Marshall, würde ich endlich die Sachen anziehen, die Sie da die ganze Zeit unter dem Arm tragen.“
Er stieß das Buschmesser in den weichen Boden und ging in die Hocke. Die Anstrengung der letzten Stunden schien keinerlei Auswirkungen auf ihn gehabt zu haben, zumindest war ihm nichts anzumerken. Ganz so, als befänden sie sich auf einem sonntäglichen Spaziergang durch den Park. Das war ja so unfair! Gabrielle spürte, wie die Wut in ihr wieder zu brodeln begann.
„Ist das alles, was Ihnen dazu einfällt? Ist Ihnen eigentlich nicht klar, wie ernst unsere Lage ist, Mr Doyle?“
„Doyle reicht völlig, vergessen Sie das Mr. Und doch, ich bin mir des Ernstes der Lage durchaus bewusst. Allerdings hilft es nicht viel, hysterisch zu werden.“
„Und was könnte dann helfen?“ Immerhin fand Gabrielle ein Ventil für ihre Wut: Sie schleuderte die Kleider zu Boden. „Diese ganze Geschichte ist lächerlich! Ich gehe zurück zum Flugzeug und warte, bis Hilfe kommt.“
„So?“ Doyle kniff nur leicht die Augen zusammen. „Was versprechen Sie sich davon? Selbst wenn Sie zum Flugzeug zurückfinden, glauben Sie etwa, die Kavallerie kommt angeritten, um Sie zu retten? Ja, vielleicht können Sie über Funk ein Taxi rufen, das Sie nach Hause bringt, wie wär’s damit?“ Seine Stimme triefte vor Sarkasmus. „Tut mir leid, Lady, aber für alle diese Möglichkeiten besteht wenig Hoffnung. Damit man uns überhaupt finden kann, müssen wir zu dem Punkt gehen, den ich als letzte Positionsbestimmung durchgegeben habe. In diese Gegend werden sie einen Suchtrupp schicken. Ich werde mich also bis dorthin durchschlagen. Wenn Sie möchten, können Sie sich mir anschließen, aber das überlasse ich Ihnen.“
„Sie würden mich tatsächlich allein hier zurücklassen?“ Sie stieß ein verächtliches Lachen aus. „Sparen Sie sich die Antwort, wir beide wissen, wie die ausfallen würde.“
„Dann erübrigt sich ja wohl eine weitere Diskussion, oder?“ Er stützte sich auf der Machete ab und richtete sich wieder auf.
Am liebsten hätte sie ihn lautstark zum Teufel geschickt, aber sie widerstand der Versuchung. Mit einem Seufzer rollte sie das Bündel auf und warf einen angewiderten Blick darauf. „Sie werden sich allerdings gedulden müssen, bis ich mich umgezogen habe.“
Doyle schwang schon die Machete, aber er hielt inne und drehte sich zu ihr um. „Na schön. Aber beeilen Sie sich.“
Gabrielle bedachte seine Anmerkung mit einem eisigen Lächeln, während sie an den Knöpfen ihrer Seidenbluse fingerte. „Kommen Sie sonst zu spät zu einem wichtigen Termin? Ich hätte angenommen, dass wir im Moment alle Zeit der Welt haben.“
„Diese Annahme ist leider völlig falsch.“ Mit zwei Fingern zog