1. KAPITEL
“Wir treffen uns zum Dinner. Sechs Uhr.”
Emily Chandler zuckte resigniert die Schultern. Will Pattons abendliche Einladungen waren so regelmäßig wie seine Besuche auf Station.
“Danke, Doktor, aber ich kann nicht”, sagte sie, ohne den Kopf zu heben, und steckte die Karteikarte zurück in den Kasten.
“Warum nicht?”
“Ich habe keine Zeit.” Sie warf ihm einen raschen Blick zu, ehe sie sich wieder in ihre Arbeit vertiefte. Er sieht wirklich gut aus, dachte sie irritiert. Dunkle Augen, schwarzes Haar, ein schönes, männliches Gesicht mit einer feinen, verblassten Narbe an der rechten Schläfe …
Dr. Patton trat einen Schritt näher. “Okay”, sagte er gleichmütig, “verschieben wir es auf morgen.”
Emily sah auf. Sie gab sich große Mühe, ruhig und gelassen zu scheinen. Sie kannte Will Patton und wusste, dass er ein scharfer Beobachter war, dem nichts entging! Auf keinen Fall durfte er spüren, wie sehr er ihr seelisches Gleichgewicht durcheinanderbrachte!
“Nein!” Sie schüttelte leicht den Kopf und senkte die Stimme. “Wir haben eine Vereinbarung getroffen, an die ich mich halten möchte”, erinnerte sie. “Wir haben ein Arbeitsverhältnis, Doktor. Mehr nicht.” Sie wandte sich ab und zog eine neue Karte aus dem Kasten.
“Vereinbarungen können geändert werden”, meinte Will und kam noch einen Schritt näher. “Vorausgesetzt, dass beide Parteien damit einverstanden sind.”
Emily schluckte. Sie spürte den Duft seines herben Rasierwassers. Ihr wurde heiß. Eine Kollegin kam vorbei und warf einen neugierigen Blick durch die offene Tür.
“Kommen Sie, Emily”, drängte Will leise. “Was haben Sie gegen ein harmloses Dinner? Ich gehe oft mit Kollegen essen!”
Sein Angebot war verführerisch, aber sie kannte ihre Grenzen. Sie straffte die Schultern, wie um sich zu wappnen. “Danke für die Einladung”, sagte sie fest, “aber ich kann weder heute, noch morgen, noch an irgendeinem anderen Abend mit Ihnen ausgehen.”
Auch Will Patton straffte die Schultern und schob eigenwillig das Kinn vor. “Sie wissen, dass ich nicht aufgebe”, erklärte er ruhig. Sein Gesicht war freundlich, aber seine dunklen Augen blitzten kämpferisch.
“Das sollten Sie aber, Doktor!”
“Nein.”
“Und warum nicht?”
“Wollen Sie wirklich, dass ich es Ihnen erkläre? Hier, im Schwesternzimmer, wo jeder zuhören kann?” Er warf einen Blick durch die offene Tür in den langen Korridor. Dann zuckte er die Schultern. “Meinetwegen! Mir macht es nichts aus, über unsere unvollendete Geschichte zu sprechen …”
“Nein!” Emily seufzte. Seit drei Wochen ließ er keine Gelegenheit aus, sie in ein privates Gespräch zu verwickeln, wann immer sich ein freier Augenblick ergab. Fast sehnte sie sich nach den Tagen zurück, in denen ein höflich-reservierter Gruß ihre Beziehung bestimmt hatte!
Sie unterdrückte einen neuen Seufzer. Sie wusste, dass sie keine Chance hatte. Will war kein Mann von leeren Drohungen! Er meinte, was er sagte. Wort für Wort. Und wenn er glaubte, dass er mit ihr noch nicht fertig war, dann würde er nicht eher ruhen, bis er das, was er als ‘unvollendete’ Geschichte bezeichnete, zu seiner Zufriedenheit vollendet hatte! Aber er würde sich gedulden müssen, bis sie die Probleme mit ihrem Bruder im Griff hatte!
“Okay, ich werde sehen, was ich tun kann”, sagte sie einlenkend. “Aber versprechen kann ich nichts!”
“Einverstanden!” Er drehte sich um, hob flüchtig die Hand und war im nächsten Augenblick verschwunden.
Aber Emily blieb nicht lang allein. Sekunden später betrat ihre Freundin Molly O’Donnell das Schwesternzimmer der Entbindungsstation. Molly, eine dralle, rothaarige Krankenschwester, hatte einen Stapel Akten im Arm, den sie schwungvoll auf die Schreibtischplatte fallen ließ.
“Warum lässt du den armen Mann zappeln und sagst nicht einfach ja?”, fragte sie resigniert.
“Wie bitte?” Emily sah sie entgeistert an.
“Sag ja”, wiederholte Molly geduldig. “Mach dem Spiel ein Ende, und geh mit ihm aus, Em!”
“Warum ich?” Emily schob trotzig die Unterlippe vor. “Er kann eine von euch einladen, wenn er Gesellschaft sucht!”
“Sicher kann er das. Aber er tut es nicht. Er ist seit drei Monaten in Crossbow und hatte genug Gelegenheit dazu. Aber er ist nicht daran interessiert.” Sie zog die Mundwinkel herab. “Wir haben getan, was wir konnten. Ohne Erfolg, wie du siehst!”
“Dann gebt euch mehr Mühe”, befahl Emily streng. “Vielleicht lässt er dann von mir ab!”
Molly zog kritisch die Brauen zusamm