1. KAPITEL
Carter Sinclair schob sich die schulterlangen Haare aus dem Gesicht. Er sehnte sich nach einem Haarschnitt. Drei Jahre hatte er als verdeckter Ermittler beim Abschaum der Gesellschaft verbracht, und jetzt war er am Ende seiner Kräfte. Er hoffte, der Grund für diese Unterredung war die von ihm beantragte Versetzung.
Ihm gegenüber saß sein Vorgesetzter, Evan Kincaid. Der stellvertretende Leiter der Behörde beendete sein Telefonat und schlug einen Aktenordner auf. Carter erkannte, dass es sich dabei um seine Personalakte handelte.
Kincaid blickte ihn über den Rand seiner Halbbrille an. “Ihrer Akte entnehme ich, dass Sie einen neuen Aufgabenbereich suchen.”
“Ja, Sir. Ich hätte gern einen Job in einem der Außenbüros.”
“Warum?” Kincaid lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.
“Ich möchte meinen Lebensstil ändern, Sir. Drogendealer zu jagen übt nicht mehr denselben Reiz auf mich aus wie früher.”
“Verständlich. Sie arbeiten schon lange als Undercover-Agent.”
Nach vier Versetzungsanträgen war dies nicht die Antwort, die Carter erwartet hatte. Mit seinem Wechsel von der Polizei in Waxahachie, Texas, zum FBI hatte er sich die Chance erhofft, Schwerverbrecher dingfest zu machen. Er hatte die Chance bekommen und eine beachtliche Anzahl von Kriminellen geschnappt. Aber jetzt war er emotional und körperlich ausgepowert. Er brauchte entweder eine neue Aufgabe beim FBI, oder er würde kündigen.
Er räusperte sich. “Heißt das, das FBI kommt meiner Bitte nach?”
“Das hängt von Ihnen ab.”
“Ich verstehe nicht ganz, Sir.”
“Haben Sie die Nachrichten verfolgt? Die Erpressung von Prominenten?”
Carter nickte. “Ich habe davon gehört. Mehrere Prominente aus der Wirtschaft und Politik waren betroffen.” Er hätte schon auf dem Mars leben müssen, um diesen Schlagzeilen zu entgehen.
“Diese hochkarätigen Opfer sind nur die Spitze des Eisbergs”, sagte Kincaid. “Nur wenige sind bereit, an die Öffentlichkeit zu gehen, statt nachzugeben. Und deshalb ist das FBI eingeschaltet worden.”
“Ein neuer Fall?”, fragte Carter.
Kincaid zog einen mehrseitigen Bericht aus seinem Eingangskorb und blätterte ihn durch. “Unseren Informationen zufolge gibt es noch mehr Opfer.” Kincaid schob Carter den Bericht zu.
Carter überflog die Zusammenfassung. Der Verfasser des Berichts hatte eine Verbindung zwischen allen bekannten Opfern festgestellt: Irgendwann in den letzten zwei Jahren hatten sämtliche Opfer eine Ferienanlage nördlich von Santa Barbara, Kalifornien, besucht. Eine ziemlich interessante Ferienanlage, wie es schien. Das Kama Resort wurde von einem Sextherapeuten geleitet und hatte eine eigene Radioshow, bei der die Zuhörer sich telefonisch beteiligen konnten. Carter hatte die Sendung ein paarmal gehört.
Er legte die Akte auf den Schreibtisch. “Das ist ein Sex-Camp.”
“Mehr oder weniger, ja.” Kincaid nahm die Akte und legte sie wieder auf den Stapel. “In der Broschüre heißt es, die Einrichtung kümmere si