1. KAPITEL
Riley Anderson ließ sich in der verrauchten Nische nieder. Ihm gegenüber saß Charlie Watson, Captain der Bostoner Polizei und Hauptkunde in den billigen Fresskneipen der Stadt. Riley begrüßte Watson gelassen. Er wollte weder Interesse noch Verdacht zeigen. Polizisten bestellten Privatdetektive nicht in abseits gelegene Kneipen, es sei denn, sie steckten ganz tief in Schwierigkeiten.
“Die Sache ist die …”
Watson schlang die letzten Fritten hinunter und starrte wehmütig auf seinen leeren Teller. “Ich käme nicht zu Ihnen, wenn es nicht der letzte Ausweg wäre. Wir haben ‘ne Menge Leute auf dem Revier, die das machen könnten.”
Riley nickte, ohne den Köder zu schlucken, und blieb ruhig sitzen, obwohl ihn die unbequeme Sitzbank im Rücken drückte. Wenn man sich ruhig verhielt und nur beobachtete, offenbarten die Leute schließlich Dinge, die sie ursprünglich nicht hatten sagen wollen, vor allem wenn sie etwas zu verbergen hatten.
Watson nahm einen Schluck aus einem riesigen Becher und knallte ihn auf den Tisch, was er anscheinend für eine starke Geste hielt. Er kniff seine eisblauen Augen zusammen, die nicht zu dem bleichen, schwammigen Gesicht passten. “Um die Wahrheit zu sagen, wir haben ein Problem. Wichtige Leute sind darin verwickelt. Sehr wichtige Leute. Auf dem Revier haben wir ebenfalls ein Problem. Es sieht sehr schlecht aus. Ich kann es nicht riskieren …”
“Captain.” Riley hob ein wenig die Augenbrauen, die einzige Bewegung, die er sich gestattete, etwas von seiner Ungeduld sehen zu lassen. “Kommen Sie zur Sache.”
Watson zerknüllte eine Burger-Verpackung und warf sie auf sein Tablett, ohne den Blick von Riley abzuwenden. “Also gut. Es gefällt mir nicht, dass ich auf Sie zurückkommen muss. Ganz und gar nicht. Aber auf dem Revier haben wir eine undichte Stelle. Jemand hat seine große Klappe aufgerissen, und seine große Klappe gefährdet die Ermittlungen. Ich kann Sie nicht leiden, aber ich vertraue Ihnen.”
Riley nickte. Weder mochte er Watson, noch vertraute er ihm, aber jetzt war nicht der Zeitpunkt, darüber zu reden. “Was soll ich tun?”
“Es geht um das Apartment einer Frau namens Rose. Nur Rose, wie Cher einfach nur Cher ist.” Er strich ein paar Haarsträhnen zurück, die sich aus der klebrigen Masse, die er wohl als Gel benutzte, gelöst hatten. “Wir glauben, dass gestohlenes Eigentum bei ihr gelandet ist. Gut möglich, dass sie nichts davon weiß. Eigentum, das wir gern den Eigentümern zurückgeben würden. Vor kurzem hat sie einen Einbruch gemeldet, bei dem aber nichts gestohlen wurde. Irgendjemand weiß oder vermutet, dass sie die Sache bekommen hat. Wir beobachten das Haus für den Fall, dass da jemand auftaucht, aber ich will nicht, dass meine Leute dort herumschnüffeln, solange ich nicht weiß, wem ich trauen kann.”
Riley biss die Zähne zusammen. Informationen von dem Captain zu bekommen, war mehr als schwierig. Gelassen beugte er sich vor und sah Watson an. “Wonach hätte ich denn zu suchen?”
“Kunst.” Der Captain wühlte in seiner Hosentasche und holte eine Rolle Magentabletten hervor, wobei er Rileys Blick auswich. “Antikes Miniaturporträt. Edelsteinverzierter Rahmen. Soll ‘ne Menge wert sein. Es geht noch um etwas mehr. Wir wollen, dass Sie Roses neuer spezieller Freund werden und herauskriegen, was sie weiß.”
Riley bemühte sich um Geduld. “Wer ist Rose, und wie passt sie da hinein?”
Watson blickte sich um, als ob das ältere Paar auf der einen Seite und die genervte Mutter mit den vier Kindern auf der anderen Undercoveragenten sein könnten.
Seine Ellbogen auf den Tisch gestützt, schob er seine massige Gestalt vor und winkte Riley näher heran. “Hören Sie genau zu. Soll ‘ne tolle Puppe sein. Jede Nacht ein andrer Kerl. Sie kennen die Sorte. Wir haben mit einigen von den Typen geredet, mit denen sie sich getroffen hat. Sie haben alle eine völlig andere Beschreibung von ihr gegeben: die Kleidung, die Haare, die