1. KAPITEL
Isabel war sich nicht sicher, wann ihr klar geworden war, dass sie einen Fehler gemacht hatte.
Anfangs hatte sie natürlich Zweifel gehabt. Der Wechsel von ihrer kleinen Wohnung in Earl’s Court zu den schottischen Highlands war ein großer Schritt. Auch wenn dort ein komfortables Haus auf sie wartete sowie eine Stelle, die ihr eine Freundin verschafft hatte.
Cory hielt sie für verrückt. Doch das hatte Isabel nur noch mehr davon überzeugt, dass sie das Richtige tat. Alles, was ihre dreizehnjährige Tochter dem schlechten Einfluss an ihrer Schule entzog, konnte nur gut sein.
Dennoch hatte Isabel dem Umzug mit Sorge entgegengeschaut. Tatsächlich war sie seit Edwards Tod die meisten Probleme so angegangen. Er hatte stets alle Entscheidungen für sie getroffen. Aber nun war sie allein mit Cory.
Niemand hatte mit Edwards Tod gerechnet. Sie hatte geglaubt, er habe mit fünfundvierzig noch viele Jahre vor sich. Er war kein Trinker gewesen. Er hatte nicht geraucht. Er war eine Stütze der Gemeinde gewesen. Und seine Mutter hatte ohne zu zögern verkündet, dass es ein Pech sei, dass nichtsie, Isabel, am Steuer gesessen hatte, als der Anhänger eines entgegenkommenden Lastwagens durch die Leitplanke geschleudert war. Doch es war Edward, der auf dem Fahrersitz gesessen hatte und getötet wurde, während Isabel nur kleinere Schnitt- und Schürfwunden davontrug.
Mrs Jacobson hatte nie gewollt, dass ihr Sohn heiratete. Sie war glücklich gewesen, für ihn sorgen zu können und ihm sein Leben angenehm zu machen. Ein verwaistes Mädchen ohne einen Cent Habe, das versuchte, den Tod seines Vaters zu verwinden, hatte nie in ihre Pläne gepasst.
Rückblickend musste Isabel zugeben, dass Mrs Jacobson ihre Gründe gehabt hatte. Vielleicht war Edward zu alt für sie gewesen. Vielleicht hatte sie nach einem Ersatz für ihren Vater gesucht. Dennoch waren die gemeinsam verbrachten Jahre zumeist glücklich gewesen.
Edwards plötzliches Ableben war für alle ein Schlag gewesen. Auch für Cory, die in den letzten beiden Lebensjahren ihres Vaters alles getan hatte, um ihn zu ärgern. Vor allem in der Schule hatte Cory zunehmend Schwierigkeiten gemacht. Schule schwänzen, Benutzung gemeiner Wörter, Ladendiebstahl – all dessen war Cory schuldig befunden worden. Statt gute Leistungen zu erbringen, um vielleicht die Universität besuchen zu können, wie Isabel es einmal selbst gewollt hatte, hatte Cory nichts versäumt, um ihre Eltern aufzuregen. Und sie schämte sich dessen nicht einmal. Sie genoss sogar ihren schlechten Ruf.
Durch Edwards Tod vor zehn Monaten hatte Isabel kurz Zeit zum Atmen bekommen. In dem Vakuum ihres gemeinsamen Leides waren sie und Cory sich näher gekommen, als sie es seit Jahren gewesen waren. Isabel hatte sogar zu hoffen begonnen, dass Edwards Tod etwas Gutes bringen könne. Und so wäre es vielleicht auch gewesen, hätte Mrs Jacobson sich nicht entschlossen, sich wieder einzumischen.
Bis zu Edwards Tod hatte Isabel eine Teilzeitstelle bei einem Anwalt gehabt. Das hatte Isabel Spaß gemacht. Ihre Arbeitszeit war flexibel, und sie war immer da, wenn Cory aus der Schule kam.
Dies alles hatte sich durch Edwards Tod geändert. Die Versicherung, die Edward hinterlassen hatte, würde kaum zur Tilgung der Hypothek ihrer Wohnung ausreichen. Sie brauchte eine Ganztagsstelle, um Lebensmittel, Strom und Heizung bezahlen zu können.
Mrs Jacobson hatte darauf vorgeschlagen, sie sollten zu ihr ziehen. Ihr Haus, ein weitläufiges viktorianisches Landhaus in St. John’s Wood, sei für eine Person viel zu groß, sagte sie. Isabel müsse nicht arbeiten, da Cory ohnehin ihren ganzen Besitz erben würde, wenn sie starb. Sie würde sich über die Gesellschaft und die Hilfe im Haus freuen, und sie sei sicher, dass Edward das auch so gewollt hätte.
Darauf war Isabel in Panik geraten. Die Vorstellung, zu ihrer Schwiegermutter zu ziehen und ein unbezahltes Dienstmädchen zu werden, war etwas, was sie aus der Fassung brachte. Isabel wusste, dass sie das keinesfalls akzeptieren konnte.
Und in dem Augenblick,