1. KAPITEL
Verblüfft starrte Claire ihre Anwältin an. Ihre Gedanken überschlugen sich, und ihr Herz pochte plötzlich zu schnell und zu heftig. „Was soll das heißen, dass er nicht einwilligt?“
„Ihr Mann hat sich geweigert, die Scheidungspapiere zu unterzeichnen. Er wollte sie nicht einmal entgegennehmen. Er war da ganz unerbittlich und besteht darauf, sich zuerst mit Ihnen zu treffen.“
So war das alles nicht geplant. Sekundenlang nagte Claire an ihrer Unterlippe.
Sie hatte gehofft, jeglichen Kontakt zu Antonio Marcolini während seiner Vortragsreihe in Sydney vermeiden zu können. Sie musste endlich nach vorn blicken und die Vergangenheit hinter sich lassen.
Fünf Jahre waren seit ihrer letzten Begegnung vergangen; für eine Scheidung nach so langer Trennungszeit war doch sicherlich nichts weiter nötig als ein paar Formalitäten, die einer erfahrenen Juristin keine Probleme bereiten sollten.
„Sofern Sie keine speziellen Gründe haben, sich nicht mit ihm zu treffen, schlage ich vor, dass Sie es hinter sich bringen – und zwar bald“, riet ihr die Anwältin Angela Reed. „Es kann gut sein, dass er die Angelegenheit einfach auf einer persönlicheren Basis regeln will, anstatt den formellen Rechtsweg zu durchlaufen. Letztendlich wird er eine Scheidung natürlich nicht verhindern können, aber er kann sie hinauszögern – was noch höhere Anwaltskosten für Sie bedeutet.“
Claire verspürte einen Anflug von Panik bei dem Gedanken an weitere Rechnungen, die noch auf sie zukommen würden. Sie war ohnehin nicht besonders flüssig, und ein langwieriger Scheidungsprozess würde sie finanziell ans Limit bringen.
Aber warum in aller Welt sollte Antonio sie nach all dieser Zeit sehen wollen? Die Umstände, unter denen ihre Ehe geendet hatte, erweckten kaum das Verlangen nach einem freundschaftlichen Plausch über alte Zeiten bei einer Tasse Kaffee.
Sie holte tief Luft und begegnete dem forschenden Blick ihrer Anwältin. „Ein einmaliges Treffen von Angesicht zu Angesicht kann wohl nicht viel schaden“, räumte sie ein, allerdings hatte sie dabei ein flaues Gefühl in der Magengegend.
„Betrachten Sie es als Abschluss.“ Angela schob ihren Stuhl zurück und stand auf, um zu signalisieren, dass das Beratungsgespräch zu Ende war.
Kurz darauf trat Claire hinaus auf die Straße und atmete tief durch.Natürlich ist es ein Abschluss. Was denn sonst? Deswegen hatte sie die Scheidung ja in die Wege geleitet.
Es war allerhöchste Zeit, einen Schlussstrich unter die Vergangenheit zu ziehen. Sie war es sich selbst schuldig, das Leben wieder zu umarmen und in vollen Zügen zu genießen.
Das Telefon begann zu klingeln, gerade als sie ihre Wohnungstür aufschloss. Sie ließ Handtasche und Schlüsselbund auf das Sofa fallen und griff zum Hörer. „Hallo?“
„Hallo, Claire.“
Sie umklammerte das Telefon mit plötzlich feuchter Hand und versuchte, die aufkommenden Gefühle zu bezwingen, die der sanfte weiche Klang ihres Namens in seinem reizvollen Akzent auslöste. Winzige Schweißperlen traten ihr auf die Oberlippe. Ihr Herz begann zu hämmern, und ihr Atem kam flach und unregelmäßig.
Himmel, wenn du schon so heftig reagierst, sobald du nur seine Stimme hörst, wie in aller Welt willst du dann erst ein Wiedersehen verkraften?
„Hallo, Claire“, wiederholte er.
Der samtweiche Ton seiner tiefen Stimme ließ ihre Haut unter den Schichten ihrer dicken Winterkleidung prickeln und das Blut schneller durch ihre Adern strömen.
Sie schluckte schwer, schloss die Augen und flüsterte atemlos: „Hallo, Antonio … ich wollte … dich gerade anrufen …“
„Ich gehe davon aus, dass du schon mit deiner Anwältin gesprochen hast?“
„Ja, aber …“
„Dann weißt du ja, dass ich kein Nein als Antwort akzeptiere“, unterbrach er