1. KAPITEL
„Wann müsste ich denn spätestens da sein?“ Kate Mulhoon umklammerte den Telefonhörer so fest, dass ihre Fingerknöchel weiß hervortraten.Für dich würde ich durchs Feuer gehen, Caddy, bloß nicht nach Rom …
Doch noch während sie das dachte, wurde Kate klar, dass sie ihre schöne Cousine Cordelia bei den Dreharbeiten in Rom unmöglich im Stich lassen konnte. Genauso wenig konnte sie aber … was? Das Risiko eingehen, Santino Rossi wieder zu begegnen? Santino …
„Kate, bist du noch da?“, fragte Caddy nervös.
„Sekunde … ich muss nur schnell eine Datei sichern.“
Im Büro war es kalt. Um sechs wurde die Heizung immer abgestellt, und Kate sehnte sich nach einem dicken Wollpullover. Wie stets trug sie heute ein konventionelles Kostüm, kombiniert mit einer leichten weißen Bluse. Die Kollegen sagten ihr oft, dass sie sich zu alt anzog für ihr Alter, doch Kate hatte ihre Gründe.
Nachdem sie die Datei gesichert hatte, rief Kate die Flughafeninformationen auf. Caddy, mit bürgerlichem Namen Cordelia Mulhoon, gehörte nicht nur zu den Menschen, die ihr am nächstenstanden. Zudem war Caddy auch noch Filmstar und eine der wichtigsten Klientinnen der Agentur. Zu Kates Aufgabe gehörte unter anderem, die Schauspieler zu betreuen. Und da sie Caddy sehr gut kannte, wusste sie, dass niemand ihr Selbstmitleid nachsagen konnte. Wenn Caddy um Unterstützung bat, brauchte sie wirklich Hilfe, davon konnte man ausgehen.
Ohne Caddys Mutter – Kates Tante Meredith –, die sich zu Hause um alles kümmerte, hätte Kate gar nicht wegfahren können. Aber auf Meredith war Verlass, außerdem konnte sie sich ihre Zeit flexibel einteilen. Trotzdem wusste Kate, dass es ihr nicht leichtfallen würde, ihre kleine Tochter Francesca zurückzulassen, auch wenn sie natürlich nicht lange wegbleiben würde.
Kate schob sich eine Haarsträhne aus der Stirn, während sie die Abflugzeiten nach Rom studierte. Das leicht gewellte honigblonde Haar, das ihr fast bis zur Taille reichte, trug sie schlicht im Nacken zusammengebunden. Obwohl sie in einer Branche voller Glamour arbeitete, traf ‚glamourös‘ auf Kate gar nicht zu. Sie liebte es, mit Francesca lange Spaziergänge zu machen oder in Tante Merediths gemütlicher Farmhausküche Kuchen zu backen. Um Äußerlichkeiten scherte Kate sich wenig. Vielmehr bemühte sie sich, nicht aufzufallen. Weil man so sicherer war … geschützt vor Klatsch und Tratsch jeglicher Art.
Anderen fielen meistens ihre nebelgrauen Augen auf. Sie waren sanft, aber eindringlich. Und wenn Kate sich durchsetzen musste, wurde ihr Blick stählern.
„Wirklich, Kate, es ist einfach schrecklich“, klagte Caddy.
„Hm …“ Kate hatte gerade einen passenden Flug entdeckt.
„Du weißt, dass ich dich normalerweise nicht bitten würde herzukommen. Inzwischen sehe ich nur einfach keine andere Lösung …“
„Schon gut, Caddy, ich versteh dich“, versuchte sie, ihre Cousine zu beruhigen. Natürlich brauchte Caddy sie jetzt. Und Kate war entschlossen, sie nicht hängenzulassen – selbst wenn die Büchse der Pandora verglichen mit den Problemen, die Kate in Rom auf sich zukommen sah, einer Kindergartenlunchbox glich. Rom bedeutete für Kate: Santino Rossi. Eine böse Laune des Schicksals wollte es, dass ausgerechnet Santino den Film produzierte, in dem Caddy – zum ersten Mal in ihrer Karriere – die Hauptrolle spielte.
Wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass sie Santino Rossi in den Cinecittà-Filmstudiosnicht in die Arme lief?
Gleich null, konstatierte Kate missmutig.
Da all ihre Instinkte sie zur Vorsicht mahnten, wollte Kate retten, was vielleicht doch noch zu retten war.
„Aber was genau ist eigentlich passiert, Caddy? Ich meine, ich verstehe nicht ganz, warum Marge Wilson das Problem nicht für dich lösen kann …“ Kaum war die Frage heraus, biss Kate sich auf die Lippe. Was war los mit ihr? Hatte Caddy die Angelegenheit nicht schon als dringend genug geschildert? Schon, aber die Aussicht, Santino Rossi zu begegnen …
Trotz allem war Caddy ihre beste Freundin. Punkt. „Okay, ich buche jetzt einen Flug, Caddy …“
Das Aufatmen am anderen Ende der Leitung war nicht zu überhören. „Oh, Kate, Gott sei Dank! Du kannst dir nicht vorstellen, wie dankbar ich dir bin. Marge Wilson ist eine echte Katastrophe. Ich wünschte wirklich, ich hätte damals auf dich gehört und sie nicht engagiert. Sie ist stän