1. KAPITEL
Sorge dafür, dass es in deinen Beziehungen gut läuft, dann läuft auch dein Geschäft. Denn ein Geschäft ist nichts anderes als eine Beziehung, an der ein paar Dollarnoten mit dranhängen.
Muriel Sterling,Die Verbindung von Arbeit und Vergnügen: Wie man Arbeit und Liebe erfolgreich miteinander verknüpft
Samantha Sterling saß neben ihrer Mutter in der ersten Reihe der Icicle-Falls-Gemeindekirche und kämpfte gegen den Wunsch an, aufzuspringen und nach vorn zum Altar zu laufen, um ihren Stiefvater Waldo am Kragen zu packen und zu erwürgen. Doch es gab zwei Gründe, die dagegensprachen: Zum einen tat ein braves Mädchen so etwas nicht in der Kirche. Trotzdem, vielleicht hätte sie ausnahmsweise ihre Skrupel über Bord geworfen, wenn es nicht den zweiten Grund gegeben hätte: Gott hatte Waldo bereits zu sich gerufen. Waldo war mausetot. Sein Foto stand vor der Messingurne, die seine Asche enthielt. Zurückgelassen hatte er nicht nur eine Tochter aus erster Ehe, sondern auch seine trauernde Witwe Muriel, seine drei Stieftöchter Samantha, Cecily und Bailey sowie einen Familienbetrieb, der genauso leblos war wie Waldo.
Als Samanthas Vater Stephen noch gelebt hatte, war Sweet Dreams Chocolates ein gesundes Unternehmen gewesen. Ihre Urgroßmutter Rose hatte es gegründet, und unter Stephens Leitung war es langsam, aber stetig gewachsen. Das Unternehmen glich einer großen, glücklichen Familie – ein Spiegelbild der Familie, die von den Firmenerlösen lebte. Alle drei Schwestern hatten ihre Sommerferien stets damit verbracht, für Sweet Dreams zu arbeiten. Allen drei war schon früh eingeimpft worden, dass dieses Geschäft die Familie nicht nur finanziell versorgte, sondern ihnen auch zur Ehre gereichte – abgesehen davon, dass es ihnen nie an Schokolade fehlte. Aber es war Samantha gewesen, die dem Betrieb mit Haut und Haaren verfallen war. Von den drei Mädchen war sie diejenige, die in ihrem Heimatort geblieben und zur rechtmäßigen Erbin auserkoren worden war.
Doch dann war ihr Vater gestorben, und auf einmal hatte alles stillgestanden. Samantha verlor den Mann, den sie und ihre Schwestern vergöttert hatten, und ihre Mutter verlor die Lust am Leben. Muriel überließ es Samantha und der Buchhalterin Lizzy, das Geschäft sozusagen per Autopilot am Laufen zu halten, während sie erst trauerte und sich danach auf die Suche nach einem neuen Ehemann machte.
Und da kam Waldo Wittman ins Spiel, ein großer grauhaariger Witwer, der erst kürzlich von seiner Firma ermuntert worden war, in Frührente zu gehen, weil man Personal abbauen musste. (Inzwischen überlegte Samantha, dass es vielleicht auch noch andere Gründe gegeben haben mochte, warum man Waldo freigesetzt hatte.) Er hatte damals behauptet, er habe aus dem erbarmungslosen Konkurrenzkampf aussteigen wollen. Angesichts des herrlichen Blicks auf die Berge, der Nähe zu den Weinanbaugebieten im östlichen Washington, der freundlichen Kleinstadtatmosphäre und der att