1. KAPITEL
Habe ich dir schon einmal gesagt, dass du perfekt bist, mein Liebling? Vielleicht ein bisschen klein geraten, aber für mich bist du einfach vollkommen.
Gina erwachte aus ihrem Tagtraum und blickte sich um. Sie fürchtete, ihre Gedanken laut ausgesprochen zu haben. Doch niemand schien es bemerkt zu haben. Erleichtert wandte sie sich wieder dem kleinen Wagen zu und strich zärtlich über die Heckscheibe.
Da es bereits zwölf Jahre alt war, hatte sie das winzige Auto zu einem äußerst günstigen Preis bekommen. Die meisten Leute mussten ein Lächeln unterdrücken, wenn sie es zum ersten Mal zu Gesicht bekamen. Aber es hatte ihr immer treue Dienste erwiesen, und sie liebte die Art, wie es fröhlich auf der Straße dahintuckerte.
Plötzlich bemerkte Gina, dass ihr Auto zugeparkt war. Auf der einen Seite war eine Mauer, auf der anderen stand ein Rolls-Royce. Dessen Besitzer war ganz offensichtlich der Meinung, ihm würde mehr zustehen als ein einzelner Parkplatz.
“So eine Unverschämtheit”, empörte sie sich. “Ich bekomme nicht einmal die Tür weit genug auf, um einzusteigen.”
Zum Glück war der Kofferraum nicht abgetrennt, sodass sie durch die Heckklappe hineinklettern konnte. Als sie mit einiger Mühe auf den Fahrersitz gelangte, war sie verschwitzt und schlecht gelaunt.
“Was glaubt der eigentlich, wer er ist?”, fragte sie erbost.
Vorsichtig begann sie, rückwärts auszuparken. Zuerst schien alles zu klappen, doch plötzlich machte das kleine Auto einen Ruck, drehte sich und rammte mit einem lauten Knirschen den sorgfältig polierten Rolls-Royce.
Erschrocken krabbelte Gina wieder durch den Kofferraum ins Freie. Sie kniete sich hin, um den Schaden zu begutachten. Beide Autos hatten Kratzer abbekommen, den Rolls-Royce hatte es allerdings schlimmer erwischt.
“Gut gemacht”, hörte sie plötzlich jemanden hinter sich ironisch sagen. “Ich habe ihn gerade neu lackieren lassen – wirklich perfektes Timing!”
Von ihrem Blickwinkel aus wirkte der Mann sehr groß. Er hatte dichtes, dunkles Haar und breite Schultern. Schnell stand sie auf, aber noch immer überragte er sie um mindestens fünfundzwanzig Zentimeter.
“‘Gut gemacht’ ist wohl nicht der richtige Ausdruck”, entgegnete sie. “Ich würde die Person als egoistisch und arrogant bezeichnen.”
“Wen?”
“Denjenigen, der für den Rolls-Royce zwei Parkplätze beansprucht hat, sodass ich nicht genügend Platz hatte, um einzusteigen.”
“Sehr viel Platz kann diese Erdnuss auf Rädern wohl kaum benötigen.”
“Nun, nicht alle Menschen haben das Glück, einen Rolls-Royce zu fahren”, erwiderte Gina, empört darüber, dass man ihren Liebling beleidigt hatte. “Sie haben Ihren Wagen auf meinem Parkplatz abgestellt. Dazu hatten Sie kein Recht – ich konnte nicht einmal die Tür öffnen.”
“Eigentlich habe nicht ich ihn geparkt, sondern mein Chauffeur.”
“Das hätte ich mir denken können.”
“Dann ist es also ein noch schlimmeres Verbrechen, einen Chauffeur zu haben, als einen Rolls-Royce zu besitzen?”
“Es passt einfach zusammen. Jemand, der sich so einen Wagen leisten kann, braucht keine Rücksicht auf andere Menschen zu nehmen. Warum haben Sie Ihren Chauffeur nicht davon abgehalten?”
“Weil ich nicht dabei war und es nicht wusste. Ich gebe zu, dass er nicht gerade eine Glanzleistung vollbracht hat. Aber Sie hätten ausparken können, ohne einen der Wagen zu beschädigen, indem Sie rückwärts gefahren wären, ohne einzuschlagen. Hat man Ihnen das nicht in der Fahrschule beigebracht?”
“Wenn man nicht meinen Parkplatz in Anspruch genommen hätte”, erwiderte Gina ärgerlich, “dann hätte ich den Rolls-Royce nicht gerammt, auch wenn ich eingeschlagen hätte.”
“Mit Ihrer Lenkung ist etwas nicht in Ordnung”, erklärte der Mann beneidenswert gelassen. “Sie können von Glück reden, dass Sie es beim Ausparken bemerkt haben und nicht erst bei einem Überholmanöver