1. KAPITEL
Christy Russel war kein Morgenmensch. Aber sie war auch kein Nachmittags- oder Nachtmensch, denn sie arbeitete in wechselnden Schichten. Sie hatte in letzter Zeit so viele Schichten hintereinander gehabt, dass sie vollkommen den Überblick verloren hatte. Sie wusste nur, dass sie die nächsten zweiundsiebzig Stunden dienstfrei hatte. Kein Pieper, kein Handy, keine Notfälle. Bis Montagnachmittag um vier würde sie keinen Fuß in die Intensivstation des Richmond General Hospital setzen.
Drei Tage frei. Und an diesem ersten Tag wollte sie nur schlafen, schlafen, schlafen.
Und das würde sie auch, wenn dieses Klopfen endlich aufhörte. Sie drehte sich auf die andere Seite und zog sich die Decke über den Kopf. Das Klopfen und das Geschrei hörten nicht auf. Aber sie dachte nicht im Traum daran, darauf zu reagieren. Sie hatte frei. Sie war nicht da.
Sie ließ sich tiefer ins Land der Träume sinken. Aber die Geräusche folgten ihr. Jemand rief nach Vivian. Ah, dachte sie benommen. Vivian, nicht Christy. Gut. Lächelnd kuschelte sie sich in die Kissen.
“Stehen Sie auf, Vivian.”
Hm. Der Störenfried hatte eine tiefe, sexy Stimme. Christy vergrub sich noch tiefer unter Kissen und Decken. Wie mag der Mann sein, dem diese aufregende Stimme gehört? fragte sie sich verträumt.
“Sie kommen zu spät zu einer wichtigen Verabredung.”
Verabredung? Hm … Sie hätte nichts gegen eine Verabredung mit dem Besitzer dieser Stimme. Seine Stimme klang so real, so nahe. “Komm her”, murmelte sie, während sie im Geist die Hand nach ihrem Traummann ausstreckte.
“Los, wachen Sie auf!”
Starke Hände. Ja, sie passten gut zu dieser Stimme. Starke, warme Hände. Ein bisschen rau, aber das machte nichts. Es war schon viel zu lange her …
“Vivian, stehen Sie auf!”
Sie runzelte die Stirn. “Vivian?”, murmelte sie. Warum wollte ihr Traummann Vivian? Das war gar nicht nett. Immerhin war er das Produkt ihrer Fantasie – müsste er da nichtsie wollen?
“Vivian.” Ihr Traummann wurde dominierender, aber nicht so, wie sie es gern gehabt hätte.
“Gehen Sie weg.” Es war schlimm genug, dass im wirklichen Leben so gut wie gar nichts mit Männern bei ihr lief, aber sie würde verdammt sein, wenn sie es sich gefallen ließ, dass ihr Fantasiemann eine andere wollte.
Und jetzt benutzte dieser Traummann seine schönen, starken Hände, um ihr Decken und Kissen wegzuziehen. Wie gemein von ihm!
“In einer Viertelstunde ist die Trauung, und Sie werden Ihre beste Freundin nicht im Stich lassen.”
“Hm?” Sie hatte keine Ahnung, was für ein verrückter Traum das war, aber allmählich begann sie ihn zu hassen. Sie ließ sich aufs Bett zurückfallen und schwor in Gedanken wieder einmal den Mikrowellen-Enchiladas ab. Zumindest vor dem Schlafe