1. KAPITEL
„Vorsicht vor diesem Mann!“
Deedee O’Flanagan achtete nicht weiter auf die Warnung, die ihre Kollegin vorlas, sondern suchte nach ihrem Lipgloss. „Roz, was auch immer der getan hat – bestimmt hat er es nicht verdient, dass ein Warnhinweis mit Foto in einer öffentlichen Toilette ausgehängt wird.“
Hm, vielleicht doch, dachte sie dann, als sie seine tiefblauen Augen näher betrachtete. Solche Augen konnten einen zu Dingen verleiten, die man normalerweise nicht tat …
„Das kann wohl nur die Frau beurteilen, die das Foto aufgehängt hat“, erwiderte Roz. „Tja, Cameron, du hast sie offenbar echt wütend gemacht. Ich muss allerdings gestehen, dass ich dich ziemlich lecker finde.“
„Ja …“, stimmte Deedee zu. Dunkles Haar, markante Züge, zum Küssen einladende Lippen … sie konnte sich vorstellen, was für einen Körper ein so atemberaubend attraktiver Mann hatte.
„Wenn wir unseren Job behalten wollen, sollten wir lieber raus und diesen ungeduldigen hohen Tieren ihre Getränke bringen“, sagte Roz und ging zur Tür.
Deedee, die ihre Gedanken nur schwer von dem unbekannten Traummann losreißen konnte, nickte.
Cameron Black. Warum kam ihr der Name nur so bekannt vor? Sie verdrängte den Gedanken, trug korallenrotes Lipgloss auf, zwirbelte einige ihrer wie Stacheln hochstehenden blonden Strähnen und versuchte vergeblich, ihr Namensschild gerade zu rücken.
Dann fiel ihr Blick unwillkürlich noch einmal auf den Warnhinweis. Unter dem Foto stand: „Er ist nicht der Mann, für den man ihn hält.“ Einem Impuls folgend, nahm Deedee den Zettel von der Wand ab. Vielleicht hatte die Frau, die ihn aufgehängt hatte, ja übertrieben, weil sie von Cameron enttäuscht worden war. Deedee wusste, dass Paare ihre Beziehung oft unterschiedlich wahrnahmen. Auch wenn Deedee in dieser Hinsicht noch nicht über viel Erfahrung verfügte – es hatte in ihren dreiundzwanzig Lebensjahren bisher erst eine ernsthafte Beziehung gegeben, und zwar keine mit besonders glücklichem Ende.
Angesichts von Camerons attraktivem Gesicht schien es ihr ein Sakrileg zu sein, das Blatt in den Papierkorb zu werfen. Also faltete Deedee es zusammen und schob es in ihre Hosentasche.
Kurze Zeit später eilte sie mit einem Tablett voll Fingerfood durch das vor allem von männlichen Führungskräften besuchte Lokal. Mit einem gewinnenden Lächeln wandte sie sich an eine Gruppe besonders wichtig aussehender Männer. „Möchten Sie Crab Cakes mit Zitronengrassoße probieren? Oder ein Oliven-Käse-Bällchen?“
Wie zu erwarten, ignorierten die Männer sie und sprachen weiter über das Modell, das vor ihnen auf dem Tisch stand. Es handelte sich um ein Bauprojekt, das in Melbournes Innenstadt verwirklicht werden sollte. Einige gierige Finger griffen allerdings trotzdem nach den Häppchen auf Deedees Tablett.
Wie unhöflich! Deedee biss die Zähne zusammen, lächelte jedoch weiter, während sie um die Gruppe herum zur anderen Seite des Tisches ging. Sie hasste diese undankbare Arbeit, bei der man sich so unterordnen musste. Doch sie hatte keine Wahl, es sei denn, sie wollte nach Sydney zurückkehre