1. KAPITEL
Savannah
Starr blickte ich in den Wald des Rich Mountain und stützte mich mit einer Hand an den Stamm des kahlen Laubbaums. Mein unnatürlich schneller Atem stieg in kleinen Wölkchen in die Nachmittagsluft, während die blasse Sonne sich hinter den nackten Ästen der Baumgrenze vorwärtsschleppte. In der Luft hing Rauch, der beißende Gestank eines falschen Versprechens von Wohlbehagen aus dem Schornstein der Jagdhütte, die wenige Meter hinter mir stand. Und die ich in diesen wenigen kostbaren Minuten der Einsamkeit hier draußen verbissen zu ignorieren versuchte.
Eigentlich hätte es perfekt sein sollen ... Tristan und ich und eine abgelegene Blockhütte mit einem knisternden Kaminfeuer, weit abgelegen auf einem Berg im Westen von Arkansas, mitten im Dezember. Weit und breit weder der Clann noch der Vampirrat in Sicht, um uns Probleme zu bereiten. Keine Regeln oder Geheimnisse mehr, die uns trennten. Keinerlei Risiko mehr, Tristan mit einem bloßen Kuss aus Versehen auszusaugen und zu töten.
Doch stattdessen war alles verkehrt, und ich drohte unter dem Gewicht dessen, was uns jetzt bevorstand, zusammenzubrechen.
Wir waren nicht allein hier. Mein Vater war mitgekommen. Nicht zu Tristans oder meiner Sicherheit, sondern um jeden anderen zu schützen, der womöglich zu dicht in die Nähe kam und Tristans Blutdurst weckte. Hätte Dad ihn letzte Nacht nicht zurückgehalten, hätte Tristan dort im Zirkel womöglich seine eigene Familie abgeschlachtet. Jene Lichtung in unseren heimatlichen Wäldern war der Hauptversammlungsort des Clanns, wo erst vor wenigen Stunden so viel Clann- und Vampirblut vergossen worden war.
Allein bei der Erinnerung daran, wie Tristan dort ausgesehen hatte – seine ehemals sanften grünen Augen plötzlich silberweiß vor Begierde, seine sonst vollen Lippen dünn und über frisch gewachsene Fangzähne gespannt, während er wütend fauchte –, durchlief mich ein mächtiger Schauer. Bis zu jenem Augenblick hatte ich nie gesehen, wie ein Vampir die Kontrolle über seinen Blutdurst verlor. Nun würde ich den Anblick nie wieder vergessen.
Zu dieser einsamen Jagdhütte zu fahren war unsere einzige Option gewesen, und unser Aufenthalt hier versprach alles andere als spaßig oder friedlich zu werden. Gestern Nacht hatten wir direkt nach dem Kampf Dads Auto beladen und aufbrechen müssen, nur um Tristan aus der Nähe der Menschen zu bringen, bevor der Blutdurst ihn wahnsinnig machte. Selbst der kurze Halt an einer Tankstelle war ein Albtraum gewesen. Gott sei Dank war es von Jacksonville, unserer Heimatstadt im Osten von Texas, bis hierher nur eine Tagesfahrt, deshalb hatten wir nicht oft anhalten müssen. Jetzt, da Tristan ein ausgewachsener Vampir war, überstiegen seine Kräfte die meinen bei Weitem – schließlich hatte er jahrelang Football gespielt und Krafttraining gemacht, bevor er verwandelt worden war. Bei unserem einzigen Halt war es an mir gewesen, den Tank zu füllen, während Dad Tristan im Auto festgehalten hatte, damit er nicht auf die Menschen an der Raststätte losging.
Und seitdem war es durch die neu entstandene geistige Verbindung nur noch viel, viel schlimmer geworden. Denn Tristan konnte jeden meiner Gedanken aufschnappen, während ich stumm darum kämpfte, nicht durchzudrehen.
Bevor ich Tristan verwandelt hatte, waren die ASW zwischen uns eine Einbahnstraße gewesen, und ich hatte mir keine Gedanken darüber m