KAPITEL EINS
Er starrte sie an. Obwohl sie nicht hinschaute – warum sollte sie das Spiel so schnell verderben? –, spürte sie seine schokoladendunklen Augen, die heiß auf ihrem Körper ruhten und von ihrem Hals hinab zu ihren teilweise entblößten Brüsten glitten und jedes Detail ihres neuen Kleides und ihres Körpers darunter in sich aufnahmen. Sie hatte an ihn gedacht, als sie sich für die rote Seide entschied. Hatte sich seinen Gesichtsausdruck vorgestellt, wenn er sie zum ersten Mal in diesem Kleid sah. Die unvorstellbare Lust, die sie verspüren würde, wenn er sie langsam aus dem Stoff schälte.
Er rutschte auf seinem Stuhl herum. Allein diese Bewegung beobachten zu dürfen, ließ zitternd die reine Lust durch ihren Körper schießen, obwohl sie die Bewegung nur aus dem Augenwinkel wahrnahm. Sie sollte ja nicht so verrückt nach ihm sein. Das war nicht normal, egal was für geile, herrliche Sachen sie ihn mit ihrem Körper anstellen ließ. Und, gestand sie sich ein, sie hatte ihn schon eine Menge tun lassen. Sie hatte ihm alles gegeben, worum er sie gebeten hatte. Und mehr; so viel mehr, dass es sie manchmal beunruhigte.
Sie wusste nicht, wie sie mit dieser … Besessenheit umgehen sollte. Annalise krümmte sich innerlich, während sie an dieses Wort dachte, aber es gab kein anderes, das besser das Verlangen beschrieb, das sie jeden Moment eines Tages für diesen Mann namens Gabe empfand. Kein anderer Mann konnte dieses Verlangen stillen, auch wenn sie sich reichlich Mühe gab, jemanden zu finden, der es konnte. Und bei Gott, wie sie sich um einen anderen bemühte – sie nutzte jede sich ihr bietende Chance. Fast jede Nacht, die er nicht mit ihr verbrachte, ließ sie sich von einem anderen flachlegen. Eine kurze Ablenkung, ein letzter, angestrengter Versuch, das Verlangen aufzuhalten, das er so heftig und mühelos in ihr entfachte.
Doch so wie ihre Mutter zu werden, weigerte sie sich. Ihre schöne, junge, vollkommen wahnsinnige Mutter. Sie lebte mit dem einen Mann zusammen, während sie schon dem nächsten nachstieg, wechselte die Ehemänner wie andere Frauen die Unterwäsche – sie trieb es so weit, bis ihr Leben nichts anderes mehr war als ein einziger Nervenzusammenbruch. Nein, danke. Das kannte sie schon.
Dennoch blieben ihre Gefühle für Gabe so viel mächtiger, als ihr lieb war. Besessenheit. Verlangen. Die Worte flüsterten in ihrem Kopf, und das Einzige, woran sie denken, was sie fühlen konnte, war Gabe.
Der Abstand zwischen ihren Tischen war in diesem verschlafenen, kleinen Restaurant ohne Bedeutung. Er saß am anderen Ende des Raumes und war in eine geschäftliche Diskussion vertieft, in der es um Waren und Lagerbestände ging und um so viele andere Dinge, die sie kaum weniger interessieren konnten, dennoch spürte Annalise jeden seiner Blicke wie eine Liebkosung.
Obwohl sie sich weigerte, von der Speisekarte aufzusehen, d