1. KAPITEL
Greg trank schon die dritte Tasse Kaffee und blickte ungeduldig zur Tür des kleinen Bistros gleich an der Fifth Avenue. Mr. Smith verspätete sich bereits um eine halbe Stunde. Greg hasste Verspätungen, doch Mr. Smith war einer der besten Privatdetektive von New York City und hatte versprochen, heute die gewünschte Information zu liefern. Heute sollte Greg erfahren, wer seinen Sohn großzog.
Ein Monat war seit Hayleys überraschendem Besuch vergangen. Sein Sohn nannte bereits einen anderen Mann „Daddy“, doch das störte Greg nicht. Er musste sich nur davon überzeugen, dass es ein gutes Zuhause war.
„Mr. Chandler?“ Mr. Smith stand in einer verknitterten Khakihose, einer abgewetzten Kordjacke und alten Turnschuhen neben ihm: Columbo ohne Trenchcoat.
„Setzen Sie sich, Mr. Smith, und erzählen Sie mir, was Sie herausgefunden haben.“
Mr. Smith setzte sich, nahm vom Kellner die Speisekarte entgegen und studierte sie so ausgiebig, als wären seine Informationen weniger wichtig als die Tagessuppe. Endlich schickte er den Kellner weg, ohne etwas zu bestellen, klopfte sich auf den Bauch und meinte seufzend: „Ich würde liebend gern eine Kalorienbombe essen, aber meine Frau hat mich auf Diät gesetzt. Reiskuchen, Obst und Gemüse. Haben Sie schon einmal Reiskuchen gegessen, Mr. Chandler? Das Zeug schmeckt wie Styropor.“
„Könnten wir zur Sache kommen, Mr. Smith?“ Greg warf dem Privatdetektiv einen gereizten Blick zu.
„Wie Sie wünschen, Mr. Chandler.“ Mr. Smith hakte die Daumen in die Gürtelschlaufen seiner Hose. „Er heißt James Bennet und wird Jamie gerufen.“
„Sie haben ihn James genannt?“ Greg wusste nicht, warum ihn das traf. „Wer sind die Bennets? Wo wohnen sie? Haben sie noch mehr Kinder?“
Mr. Smith hob abwehrend die Hand. „Langsam, Mr. Chandler. Hier habe ich alles für Sie.“ Aus seinem abgewetzten Aktenkoffer holte er einen dicken Umschlag und stand auf.
Greg nahm sich zusammen, um den Umschlag nicht sofort aufzureißen, und griff stattdessen nach seinem Scheckbuch.
Mr. Smith winkte erneut ab. „Ich schicke Ihnen eine Rechnung.“
„Und wenn ich mehr wissen will? Was ist, wenn dieser Umschlag nicht alle Informationen enthält, die ich brauche?“
„Keine Sorge“, erwiderte Mr. Smith selbstsicher. „Ich garantiere, dass meine Klienten zufrieden sind.“
„Stimmt.“ Greg betrachtete den Umschlag, der Angaben über Leute enthielt, die er nicht kannte und die seinen Sohn großzogen. Wenn er nun etwas Negatives über das Paar herausfand, das seinen Sohn adoptiert hatte, was sollte er dann tun?
Plötzlich erinnerte er sich wieder an Mr. Smith, doch der Privatdetektiv war bereits gegangen.
Greg riss den Umschlag auf, zog drei eng beschriebene Seiten und zwei Fotos heraus. Das eine zeigte eine Frau, schätzungsweise Ende Zwanzig, in einem sportlichen Rock und einem T-Shirt, das dunkle Haar zum Pferdeschwanz gebunden. Sie saß am Strand und hielt ein stämmig wirkendes Baby auf dem Arm.
Das zweite Foto war eine Großaufnahme des lächelnden Kindes, blond und pausbäckig.
Greg schnürte sich die Kehle zu. Ein attraktives Kind, aber was verstand er schon als fünfunddreißig Jahre alter Junggeselle davon?
Wo warMr. Bennet? Wo war derDaddy? Er überflog den Bericht, übersprang die unwichtigen Details und las, dass Mr. Bennet vor neun Monaten bei einem Bootsunfall bei Nantucket Island noch vor Abschluss der Adoption umgekommen war. Eine Witwe zog seinen Sohn groß!
Alleinstehende Mütter waren nicht so ungewöhnlich, aber war Mrs. Bennet fähig, ein Kind allein zu erziehen? Und ohne Geschwister war das Kind auc