2. KAPITEL
Während der Fahrt zum Hotel steigerte Micah sich so richtig in seine Wut hinein. Er knallte die Zimmertür hinter sich zu und warf die Autoschlüssel quer durch den Raum auf den Tisch. Wie konnte Kalina ihn einfach so stehen lassen! Glaubte sie wirklich, dass er sich so abschieben lassen würde und dass dies ihre letzte Begegnung gewesen war? Irrtum, Kalina!
Er dachte nicht daran, sie in Ruhe zu lassen. Denn der Kuss hatte überdeutlich gezeigt, dass sie ihn begehrte, ob sie es nun zugab oder nicht. Nur zu deutlich hatte er ihre Leidenschaft gespürt. Sie war immer noch wütend auf ihn, aber deshalb war die sexuelle Erregung bei beiden doch genauso da wie früher. Ihr Blick war sehr eindeutig gewesen, und das begehrliche Funkeln hatte kaum etwas mit Zorn zu tun gehabt.
Er blieb am Fenster stehen und sah hinaus. Selbst zu dieser Nachtstunde war noch viel Verkehr. In der Hauptstadt schien man nicht zu schlafen. Aber was andere taten, war ihm momentan vollkommen gleichgültig. Nachdenklich rieb er sich das Kinn. Was seine Neigung betraf, nur wenig von sich selbst preiszugeben, so hatte sie ihm mit Recht Vorwürfe gemacht.
Während seiner Studienzeit hatte er sich in eine Kommilitonin verliebt, Patrice. Wie er nach einer Weile herausfand, unterhielt sie ein Verhältnis mit ihrem Professor, um so bessere Noten zu bekommen. Als Micah sie darauf ansprach, konnte sie nicht begreifen, dass er sie nicht verstand und ihr Verhalten ablehnte. Er beendete die Beziehung daraufhin sofort und war seitdem ausgesprochen vorsichtig. Er begegnete jeder Frau mit Misstrauen und ließ sich emotional auf nichts mehr ein.
Während der Beziehung mit Kalina hatte er allerdings angefangen, sich allmählich wieder zu öffnen. Hatte sie wirklich nicht bemerkt, dass sie für ihn mehr war als nur eine sympathische Sexpartnerin? Sicher, sie hatten nie Zeit für ein romantisches Dinner bei Kerzenschein oder für Spaziergänge im Park gehabt. Und Blumen und Konfekt hatte er ihr auch nie mitgebracht. Aber er war ihr nähergekommen als je einer anderen Frau zuvor … wenn auch nur im Bett.
Also musste er sich ernsthaft fragen, ob er ihr auch außerhalb des Schlafzimmers gezeigt hatte, dass sie ihm etwas bedeutete. Nein, das hatte er nicht. Außerdem stimmte, was sie gesagt hatte. Er hatte ihr auch nie etwas von seiner Familie erzählt. Die Gründe dafür konnte sie nicht kennen.
Er hatte damals Patrice mit nach Hause genommen und sie seiner Familie als die Frau vorgestellt, die er einmal heiraten würde. Die Familie hatte sie begeistert aufgenommen und wie ein Familienmitglied behandelt. Als dann die Beziehung zerbrach, fühlte nicht nur er sich betrogen, sondern auch seine Familie, was für Micah besonders schwer zu ertragen war.
Plötzlich begriff er, dass Kalina mit allem recht hatte, was sie bemängelte. Er hatte sich wie ein Idiot benommen. Am schlimmsten war, dass er in den letzten zwei Jahren nicht versucht hatte, sie zu finden. Zwar wusste er, was ihr Vater ihr erzählt hatte, aber er war davon ausgegangen, dass sie ihrem Vater nicht in allen Punkten glauben würde. E