2. KAPITEL
„Ist Steve Randalls Charakter Ihr Maßstab für die Beurteilung aller Männer?“
Dass Angelo Gordon über ihre Vergangenheit Bescheid wusste, war für Tara keine Überraschung. Die Hälfte der Menschheit hatte über sie in den Zeitungen gelesen – zumindest kam es ihr manchmal so vor.
„Das geht Sie wirklich nichts an, Mr Gordon.“
„Angelo.“
Es gelang ihr gerade noch, nicht das Gesicht zu verziehen. „Angelo. Ich arbeite für Sie. Und soweit ich informiert bin, ist eine intime Beziehung zu meinem Chef nicht Teil meiner Aufgaben.“
Sein amüsierter und zugleich durchdringender Blick verursachte ein ungesundes Kribbeln in ihrem Bauch. „Auch Sie sind sehr direkt und sehr selbstbewusst.“
„Ja.“ Er war nicht der Einzige, der seine Ziele kannte und wusste, wie er sie erreichte. Allerdings wusste sie eher, was sie nicht wollte – die Wiederholung einer verhängnisvollen Affäre mit einem Tycoon.
Und obwohl Angelo sich bemühte, das weitere Gespräch während des Essens beim Thema Arbeitsplatzeffektivität zu halten, musste Tara sich eingestehen, dass der Mann sie faszinierte. Er war aufrichtig, zielstrebig und intelligent. Und er akzeptierte ihre Meinung, auch wenn sie von der seinen abwich.
Während ihrer Beziehung mit Steve war das anders gewesen.
Sie hatte nicht voraussehen können, wie Angelo auf ihre Weigerung, ein persönliches Verhältnis zu ihm einzugehen, reagieren würde. Aber er führte die Unterhaltung mit einer Professionalität und Reife, die sie bewundern musste. Sie hatte weit ältere Männer getroffen, die zu schmollenden kleinen Jungen mutierten, wenn sie von Frauen abgewiesen wurden.
Deshalb konnte sie sich auch mehr und mehr entspannen und witterte nicht hinter jeder Frage, die sich nicht direkt auf die Arbeit bezog, eine Falle und den Versuch, sie doch noch zu verführen.
Bevor sie es bemerkte, war eine Stunde vergangen.
Der Kellner trat wieder an ihren Tisch und fragte nach ihren Wünschen für das Dessert. Angelo blickte sie an. „Möchten Sie etwas Süßes? Es gibt hier eine fantastische Crème brûlée mit Himbeeren.“
„Crème brûlée ist mein Lieblingsnachtisch“, musste sie zugeben.
Mit einem seiner seltenen atemberaubenden Lächeln bestellte er für jeden eine Portion.
Als die Desserts serviert wurden, konnte sie gerade noch ein lustvolles Aufstöhnen unterdrücken.
„Sie sehen gerade so aus, als hätten Sie eine Schale mit Ambrosia vor sich.“
„Ist das nicht auch der Fall?“
Er lachte, und sie fühlte sich genötigt, ihr übertriebenes Verhalten zu erklären. „Ich habe jahrelang überhaupt keinen Zucker gegessen. Ich musste ständig auf meine Figur und meinen Teint achten.“
Sein anerkennender Blick glitt über ihren Körper. Tara fühlte sich, als würde sie nur ein Minikleid statt des Jackie O.-Kostüms tragen.
„Ihre Figur ist fantastisch.“ Unverhohlene männliche Bewunderung lag in seiner Stimme.
Zum ersten Mal seit vielen Jahren errötete sie wegen eines Kompliments über ihr Aussehen. Sie hatte sich daran gewöhnt, ihren Körper als funktionierendes Werkzeug zu betrachten, doch dieser Mann machte ihr ihre Weiblichkeit auf nachdrückliche Weise wieder bewusst.
Sie zuckte die Schultern, täuschte Sorglosigkeit vor. „Es ist noch nicht so lange her, dass ich mit dem Modeln aufgehört habe.“
„Ich dachte, Sie seien direkt vom College zu Primo Tech gewechselt.“
„Das stimmt auch. Aber während des Collegebesuchs habe ich meinen Lebensunterhalt mit Modeln verdient.“
„Nach der Trennung von Randall?“
Tara verzog das Gesicht. „Ja.“
„Und vorher hat er Ihre Ausbildung bezahlt?“
Sie wusste nicht warum, aber sie wollte seine Frage beantworten. Normalerweise blockte sie solch persönliche Themen immer sofort ab.
„Er wollte so viel Zeit wie möglich mit mir verbringen, deshalb habe ich zugestimmt, nicht mehr zu arbeiten.“
„Es überrascht mich, dass er Ihnen nicht verboten hat, weiterhin zum College zu gehen.“
„Oh, das hat er getan.“ Aber egal wie sehr sie glaubte, diesen Kerl zu lieben, nie hätte sie ihre Unabhängigkeit für ihn aufgegeben oder ihre Träume von der Zukunft.
„Sie haben Ihren Willen durchgesetzt.“
„Ja.“