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Als Magda Stofner die Vorhänge der Terrassentür zur Seite schiebt, leuchtet die Morgenwelt im kalkweißen Licht. BeimÖffnen der Glastür gleiten die Strahlenüber sie hinweg und reizen ihre Augen, daß sie blinzeln muß, gerade so, als hätte sie ausgiebig und tief geschlafen. Eine frische Brise weht ihr ins Gesicht, vermischt mit dem pelzigen Geruch der Geranienstöcke, die heuer besonders schön blühen. In dichten Büschelnüberragt ihrüppiges Rot das Geländer.Ihre Brennenden Lieben.
Im Rückenkreuz löst sich eine Verspannung, die von der vergangenen Nacht herrühren muß, obwohl sie von schlechten Träumen nichts weiß. Vielleicht hat sie in einer unbequemen Schlafstellung im Bett gelegen, oder es rächt sich jetzt das allzu eifrige Arbeiten vom Vortag, von dem sie einen dumpfen Schmerz zurückbehalten hat. Erst im Laufe des Tages wird er sich aus ihrem Körper zurückziehen, sie kennt das ja.
Sie muß sich schonen, denkt sie, aber da wird sie an die Arbeit erinnert, die auf sie wartet, unerledigt wie ein Vorwurf, weil sie gestern abend leichtfertig alles auf den nächsten Tag geschoben hat.
Niemand zwingt dich zur Eile, meint Karl und weist sie auf ihre Verantwortung hin: du mußt halt selbst schauen, daß du dich nichtüberforderst. Aber sie kann es nicht sehen, wenn die Dinge herumstehen, wenn der Dreck sich auf dem Boden sammelt und der Staub zwischen den Regalen, sie liebt es so sehr, wenn alles aufgeräumt und blitzblank am richtigen Platz steht, daß es eine Augenweide ist, und sie ein paar Mal daran vorbeigehen muß, um sich an diesem Anblick zu ergötzen:
Schaut hin, wie ich alles geputzt habe! Habt ihr gesehen, wie alles glänzt? Und die Blumen, sind die nicht schön?
Ihre Männer haben für so was keine Augen. Nur wenn sie sie manchmal mit der Nase darauf stößt, nicken sie ohne Begeisterung, murmeln zufrieden hmm, aber es geschieht selten, daß sie ihr ein Kompliment aussprechen, das sagt ihnen einfach nichts, obwohl sie versucht, ihnen diese Schönheit zu erklären: Wie sich hinter ihrer eifrigen Hand die Ordnung wieder herstellt und der klare Zauber der Dinge offenbar wird, daß es bei jedem Vorbeigehen ein einfaches Glück ist oder ein Herzzuschnüren und nicht anzusehen, wenn alles drunter und drüber, staubfangend herumsteht wie in einer Rumpelkammer.
Manchmal glaubt sie sich in den großen Zimmern des Hauses zu verlieren, soviel Raum ist da, der geputzt, geordnet werden will, daß die Sonne mit einem weiterwandert im Schrubben und Wischen.
Noch kommen die Sonnenstrahlen unschuldig daher, erst später werden sie in einem leichten Brennen auf die Haut fallen wie kleine Nadelstiche. Magda wird die Jalousien zuklappen und die Küche in dämmriges Licht tauchen. Schon durchzieht die Luft ein Flirren, die Ränder der Geranienblätter an dem Balkongeländer rollen sich ein, verlangen nach Wasser.
Michael ist noch nicht auf. Es ist schon nach acht.
Magdas Blick streift am Berghang entlang, wo sich auf dem vorgelagerten Hügelmassiv verschiedene Dörfer hinziehen, hell umrissene Häuser macht sie auf der Sonnenseite aus, der Zwiebelturm einer Kirche scheint ein abgerissenes Streichholz, dar&uu