Kapitel eins
Ich holte tief Luft und starrte auf die Tür des Apartments mit der Nummer 312. Ich hatte mich noch nicht entschieden, ob ich weitergehen sollte oder nicht. Ehrlich gesagt konnte ich mich nicht mal erinnern, dass ich mich entschieden hätte, überhaupt bis hierher zu gehen. Aber jetzt stand ich hier. Mein Herz schlug heftig, und meine Hände schwitzten, während ich das Für und Wider gegeneinander abwog. Sollte ich den Arm heben und anklopfen?
Lieber Himmel, warum war ich bloß so nervös?
Vielleicht sollte ich mal tief durchatmen. Ich fing an –einatmen, ausatmen, einatmen, ausatmen – und schaute mich dabei um. Der Flur war lang und kahl, schlauchförmig, an den Wänden hing abstrakte Malerei, in Gold gerahmt. Obwohl das Gebäude recht ordentlich aussah und auch in einem guten Stadtviertel lag, war der Teppich alt und abgetreten. Auf einer Türschwelle ein paar Wohnungen weiter lagen Rosenblätter, offenbar die Überreste einer romantischen Geste.Wirklich süß.
Hinter mir öffneten sich die Türen des Aufzugs. Ich schaute mich um und sah ein Pärchen den Flur in die andere Richtung entlanglaufen. Der Mann trug einen teuren Anzug und hatte die Hand auf ihren Rücken gelegt. Ihr blondes Haar war zu einem perfekten Knoten aufgesteckt. Sogar von hinten boten die beiden einen schönen Anblick. Man konnte deutlich erkennen, dass sie verliebt waren.
Komisch, wie ich überall auf einmal Liebesgeschichten sah. Vielleicht hatte es mit meinem eigenen Gefühlsleben zu tun.
Ich wandte mich wieder der Tür zu, vor der ich stand. Es war eine ganz normale, langweilige Tür, aber irgendetwas daran schien verhängnisvoll zu sein.
Ich klopfe mal lieber und bring’s hinter mich.
Ich zog mir den Riemen meiner Handtasche auf der Schulter zurecht und klopfte.
Ich wartete fast eine Minute, aber niemand machte mir auf. Ich drückte ein Ohr an die Tür und lauschte, aber es blieb alles ruhig. Vielleicht hatte ich ja die falsche Apartmentnummer? Ich warf einen Blick auf meine Handfläche, wo ich mir die Adresse mit rotem Filzstift aufgeschrieben hatte, aber ich hatte so geschwitzt, dass ich sie nicht mehr lesen konnte.
Es war auch gar nicht wichtig, denn ich wusste ganz genau, dass ich hier richtig war.
»Klingeln Sie doch einfach mal«, sagte ein Mann im Vorbeigehen zu mir.
»Klingeln?«, fragte ich, aber er war schon in seiner Wohnung verschwunden.
Ich hatte gar keine Klingel gesehen, aber als ich die Wand um den Türrahmen herum absuchte, fand ich tatsächlich einen kleinen runden Klingelknopf. Komisch, dass er mir gar nicht aufgefallen war. Ich hob einen zitternden Finger und läutete.
Lautes Bellen ertönte, und ich hätte fast einen Satz zurück gemacht. Das Herz hämmerte mir in der Brust. Normalerweise hatte ich keine Angst vor Hunden, aber inzwischen war ich so nervös, dass mich jede Kleinigkeit aus der Fassung b