1. KAPITEL
Jenny Watson wusste sehr gut, was eine schlechte Idee war.
„Es ist kein Date“, belehrte sie ihre beste Freundin Emily Kiley, auf deren Bett sie es sich bequem gemacht hatte. Sie trug Jeans und hatte ein Bein an den Körper herangezogen.
Aus den Tiefen des begehbaren Kleiderschrankes meldete sich Emily zu Wort. „Nur weil es für ihn kein Date ist, heißt das noch lange nicht, dass du schlecht aussehen musst.“
„Er ist mein Boss. Das Ganze ist rein beruflich.“
„Es ist eine Hochzeit.“
„Ja, die in einem bekannten Wohltätigkeitsclub stattfindet. ImTexas Cattleman’s Club, kurzTCC, falls ich dich erinnern darf“, korrigierte Jenny sie. „Und zu der er in seiner Funktion als Interimspräsident eingeladen wurde.“
Mit einem Stück dunkelroten Chiffons in der Hand trat Emily aus dem Kleiderschrank. „Vielleicht das hier.“ Sie hielt sich das Stück Chiffon, das sich als Kleid entpuppte, vor den Körper. Es war eine hinreißende Kreation: Von dem engen ärmellosen Oberteil, das nur an der Schulter zusammengehalten wurde, ging ein Rock in A-Linie ab, der gerade einmal bis zur Hälfte des Knies reichte.
„Sehr witzig“, kommentierte Jenny trocken.
Natürlich wusste Emily, dass Jenny sich niemals dieses extravagante Kleid ausgesucht hätte. Allein schon wegen der gewagten Farbe.
„Mit hochgesteckten Haaren wäre das der Hammer.“ Im Dreivierteltakt tänzelte Emily durch den Raum. „Du darfst dir auch meine Riemchenpumps mit den Glitzersteinen ausleihen. Außerdem habe ich noch diese Wahnsinnsohrringe und eine passende Halskette. Die Steine sind zwar nicht echt, aber das muss ja niemand wissen.“
„Ich werde dieses Kleid nicht anziehen“, beharrte Jenny.
„Komm schon, Süße“, trällerte Emily. „Genieß es doch ein bisschen. Du wirst absolut fantastisch aussehen. Mitch wird die Spucke wegbleiben.“
„Ich werde albern aussehen.“ In ihrem texanischen Heimatort Royal würde Jenny ganz bestimmt nicht wie eine großstädtische Diva vor ihren Nachbarn und Freunden auftauchen. „Was hast du an meinem schwarzen Kleid eigentlich auszusetzen?“
Sie liebte ihr Kleid, das sie zu allen besonderen Anlässen trug. Heiß und innig – ein gerade geschnittenes ärmelloses Modell aus Jerseystoff, das die Knie bedeckte und zu dem sie für gewöhnlich ein schlichtes schwarzes Seidentuch umlegte. Für Jenny war es die perfekte Kombination aus klassischer und moderner Eleganz.
„Und wie oft hat Mitch dich jetzt schon darin gesehen?“
„Oft“, gab Jenny unumwunden zu.
Mitch war es sowieso egal, was sie trug. Er brauchte lediglich eine aufmerksame Begleiterin als Informantin an seiner Seite. Denn er wollte über jedes Mitglied desTexas Cattleman’s Club, so gut es ging, informiert sein. Und Jenny wusste, dass sie ihm als Assistentin desTCC eine große Hilfe war.
„Seit deinem zwölften Lebensjahr bist du in ihn verknallt.“
„Ichwar in ihn verknallt.“ Aber das war schon eine Ewigkeit her. „Der Mann hat die Stadt verlassen, da war ich gerade sechzehn.“
Als bester Quarterback des American Football Teams hatte Mitch Hayward damals ein Sportstipendium bekommen und war nach Dallas aufs College gegangen. In den ersten beiden Sommern war er nach Royal zurückgekommen, um zu jobben. Doch dann hatte ihn die Karriere als Sportler völlig in Anspruch genommen. Erst im vergangenen Jahr war er aufgrund einer Schulterverletzung wieder zurückgekehrt.
„Er ist aber schon seit zwölf Monaten hier“, gab Emily nicht nach.
„Schon so lange?“ Jenny zupfte an der Bettdecke herum und tat so, als wüsste sie nicht ganz genau, wann, zu welcher Stunde und in welcher Minute Mitch Hayward nach Royal zurückgekehrt war.
Emily ließ sich neben Jenny aufs Bett fallen. „Du bist einewirklich schlechte Lügnerin.“
Jenny seufzte. „Ich werde mich nicht zum Idioten machen, indem ich mich für Mitch aufbrezele.“
„Dann brezel dich eben für Rick Pruitt und Sadie Price auf.“ Das waren die Braut und der Bräutigam. Rick war schon lange ein von allen geschätztes Mitglied desTexas Cattleman’s Club.
„Als ob es die beiden interessiert, was ich trage“, entgegnete Jenny.
Emily packte Jenny beim Arm und sah sie eindringlich an. „Dieses Mal geht’s ums Ganze, Jen.“
Wie dramatisch. „Klär mich auf!“
„Seit einem Jahr beobachte ich, wie du leidest. Entweder schnappst du dir endlich Mitch, oder du fängst an, dich mit anderen Männern zu verabreden.“
„Ich leide nicht.“
Doch Emily hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Jennys Kehle war plötzlich wie zugeschnürt. Ein ganzes Jahr lang hatte sie versucht, sich einzureden, dass Mitch passé sei. Nichts weiter als eine längst vergessene Schwärmerei aus Kindertagen.
„Du wirst bald dreißig“, sagte Emily.
„Du auch.“
„Das stimmt. Aber ich habe einen Plan.“
„Einen Plan, um dreißig zu werden?“
„Einen Lebensplan“, erwiderte Emily versonnen und blickte sehnsuchtsvoll an Jenny vorbei aus dem Fenster.
„Sollte ich bis zu meinem nächsten Geburtstag keinen Mann treffen, alsoden Mann …“ Plötzlich runzelte sie die Stirn und kniff die Augen zusammen. „Na ja, zumindest einen, der theoretischder Mann sein könnte, dann werde ich trotzdem alles tun, um schwanger zu werden.“
Erschrocken fuhr Jenny hoch. Sie konnte gar nicht glauben, was sie da gerade gehört hatte. „Alleinerziehend? Machst du Witze? Weißt du eigentlich …“
„Ich will aber Kinder.“
„Und ich weiß aus eigener Erfahrung, wie furchtbar es ist, mit nur einem Elternteil aufzuwachsen.“
„Wir reden hier aber nicht überdeine Kindheit.“ Emily blickte sie an und sprang vom Bett. „Zurück zum Them