1. KAPITEL
21. Mai … Ein Jahr später
KENNEDY
„Wie könnt ihr mir so etwas antun?“, rief Kira beim Aufspringen von der Couch, auf der sie bis eben gesessen hatte.
Ich schaute zu meiner Zwillingsschwester hinüber. Beim Anblick ihrer entsetzten Miene wartete ich nur auf den Anfall, den sie in ein paar Sekunden bekommen würde. Meine Aufmerksamkeit wieder auf unsere Eltern richtend, murmelte ich: „Hab ich doch gesagt, dass es nicht gut gehen wird.“
„Aber … ihr könnt doch nicht … Kennedy, warum … Zane ist in Florida!“, stammelte Kira, und ich verdrehte zur gleichen Zeit wie mein Dad die Augen.
„Soll mir das irgendetwas sagen?“, fragte Dad und verschränkte dabei die kräftigen tätowierten Arme vor der Brust.
Weil ich Kira nicht die Gelegenheit geben wollte, auf diese Art von Frage zu antworten, unterbrach ich Dad, ehe er seinen Satz zu Ende sprechen konnte. „Hast du dir mal überlegt, dass ein bisschen Abstand euch beiden ganz guttun könnte? Und hast du nicht gehört, was Dad uns erklärt hat? Diese Männer kommen aus dem Gefängnis, Kira!“, rief ich, die letzten Worte besonders deutlich, falls sie es beim ersten Mal nicht begriffen haben sollte.
„Vielleicht kann Zane euch ja begleiten“, schlug Mom vor. Ihren mitfühlenden Gesichtsausdruck erkannte ich als eine gut einstudierte Lüge. Die Sorge war noch immer in ihrem Blick zu erkennen – und auch die Dringlichkeit, mit der sie uns aus Florida wegschaffen wollte … Es war nicht gerade ein Geheimnis, dass wir alle es gern gesehen hätten, wenn Kira ein wenig Abstand von Zane bekäme.
Die beiden waren zusammen, seit wir fünfzehn waren, und je länger sie zusammen waren, desto mehr drehte sich Kiras Leben nur noch um ihn. Es nervte schrecklich.
„Soll er seinen Job aufgeben?“, wandte Kira ein.
„Na ja, dann tut es euch beiden vielleicht wirklich gut, wie Kennedy gemeint hat. Mit etwas Abstand von Zane kannst du dich nach anderen Möglichkeiten umsehen. Ihr Mädchen seid erst zweiundzwanzig, ihr habt gerade das College abgeschlossen und seid sowieso noch zu jung, um an eine ernsthafte Bindung zu denken. Kira, frag einfach Kennedy. Du wirst es bereuen, das Leben nicht erst genossen zu haben.“
„Wow, danke dafür, Mom. Was soll das bitte heißen?“
Ehe sie mir antworten konnte, riss Dad den Kopf herum und blickte Mom komisch an. „Was zur Hölle soll das denn heißen? Du warst erst einundzwanzig, als wir uns verlobt haben.“
„Sehe ich auf einmal so aus, als würde ich das Leben nicht genießen? Was habe ich verpasst?“, fragte ich Kira, während Dad noch redete, aber ich war mir nicht sicher, ob sie mich überhaupt gehört hatte.
„Ernsthaft, Kash?“ Mom warf Dad einen Blick zu, von dem sogar ich beeindruckt war. „Das war etwas anderes.Wir waren anders. Sie war bishernur mit Zane zusammen.“
„Können wir uns wieder auf das Wesentliche konzentrieren?“, mischte ich mich ein, ehe Dad antworten konnte, und sah dabei wieder Kira an. „Ich gehe nach Kalifornien.Du kommst mit. UndZane kann sehen, wo er bleibt.“
„Das könnt ihr nicht machen! Ich komme nicht mit!“, schrie Kira, und schon liefen ihr die Tränen hinab.
„Ihr tut so, als würde ich euch beiden eine Wahl lassen. Ihr müsst beide anfangen, es