1. KAPITEL
Ein eisiger Wind fegte über die Landstraße.
Breena Quinlan presste die Tüte mit Lebensmitteln an ihre dünne Jacke. Hinter ihr näherte sich ein LKW, seine Scheinwerfer leuchteten auf.
Denk an irgendetwas, und achte nicht darauf, dass der LKW langsamer wird!
Sie beugte den Kopf, um sich vor dem kalten Wind zu schützen.
Bremsen quietschten, und der LKW hielt an.
Geh weiter!
„Ist das Ihr Fahrzeug da hinten?“, hörte sie eine männliche Stimme.
Breena ging schneller.
Der LKW setzte sich wieder in Bewegung.
„Ma’am, ich weiß, was Sie jetzt denken.“ Der Fahrer beugte sich aus dem Fenster seines Wagens. „Vor mir brauchen Sie keine Angst zu haben. Ich bin Seth Tucker. Mir gehört die BaufirmaTucker Contracting Limited hier in Misty River.“ Er wies auf die Tür. „Falls Sie mir nicht glauben, schauen Sie sich die Aufschrift an.“
Breena warf einen Blick auf die Tür, aber sie konnte nichts erkennen. Außerdem bedeutete es gar nichts, denn er konnte ja auch ein angestellter Fahrer sein.
„Ich bin auf dem Weg zu einer Baustelle, um meinen Lieferwagen zu holen. Soll ich einen Abschleppdienst anrufen? Dann können Sie zu Ihrem Fahrzeug zurückgehen und sind vor dem Wind geschützt.“
„Mir geht es gut“, brachte sie hervor.
„Sie frieren doch“, entgegnete er. „Was machen Sie, wenn hier wirklich ein zwielichtiger Typ vorbeikommt?“
Das saß. Ihr war eiskalt, und es war ein Wunder, dass sie sich überhaupt noch bewegen konnte.
„Gut“, meinte der Unbekannte. „Dann fahre ich eben neben Ihnen her, bis Sie Ihr Ziel erreicht haben.“
Breena hielt an, der LKW ebenfalls. Sie überlegte kurz, was sie tun sollte. Das Angebot annehmen, um dem eisigen Wind zu entkommen?
„Kennen SieEarth’s Goodness?“, fragte sie den Mann.
„Ja, das Geschäft liegt ungefähr achthundert Meter von hier.“ Nun betrachtete er sie eingehend. „Macht der Laden nicht um fünf Uhr zu?“
„Ich wohne dort.“
„Ah, Sie müssen die Verwandte von Paige Quinlan sein.“
Also hatte er schon von ihr gehört. Nun, das war der Vorteil einer Kleinstadt. „Sie ist meine Großtante.“ Mehr wollte Breena nicht sagen, denn Ihre Familie ging ihn nichts an.
„Ist es in Ihrem Wagen warm?“, fragte sie spontan.
„Ja, angenehm warm.“
Sie biss die Zähne zusammen. Was würde sie nicht alles für einen heißen Kaffee geben? Trotzdem hatte sie noch Bedenken.
„Würde es Sie beruhigen, wenn ich Ihnen sage, dass mein Bruder der hiesige Polizeichef ist? Vielleicht haben Sie ihn schon gesehen. Ein schwarzhaariger Riese.“
„Jon Tucker?“
„Richtig.“
„Er ist Ihr Bruder?“
„So ist es. Rufen Sie ihn von meinem Handy aus an, wenn Sie möchten. Oder rufen Sie Ihre Tante an, sie kennt mich.“
„Nein, ist schon gut.“ Breena traute den Worten des Mannes. Welcher Psychopath würde schon sein Opfer bitten, die Polizei anzurufen? Sie ging näher zu dem LKW.
Der Fahrer öffnete die Tür und stieg aus. Er war groß, vielleicht nicht ganz so groß wie sein Bruder. Seine Schultern waren breit, und im Licht des LKWs konnte Breena dunkles Haar und ein gebräuntes Gesicht erkennen.
„Seth Tucker, Ma’am“, stellte er sich vor.
Er zeigte ein schiefes Lächeln und streckte ihr die Hand hin. Gleich darauf spürte Breena seine Wärme.
„Breena Quinlan.“
Er beugte kurz den Kopf. „Am besten steigen Sie ein, Miss Quinlan, bevor Sie noch zum Eiszapfen werden.“
„Breena“, erwiderte sie und zog ihre Hand zurück, doch sofort vermisste sie die Wärme.
Hilfsbereit nahm er ihr die Einkaufstasche ab und führte Breena zur Beifahrerseite. Er öffnete die Tür und stellte die Lebensmittel im Fußraum ab. „Halten Sie sich am Griff fest“, riet er. „Vorsicht, es gibt zwei Stufen.“
Mit seiner Hilfe gelangte sie in den wunderbar warmen Wagen. Dann schwang Seth sich auf den Fahrersitz, legte den Gang ein, schaute in beide Seitenspiegel und fuhr los.
„Reiben Sie Ihre Hände und Arme, damit Ihnen schneller warm wird.“
Tatsächlich wurde ihr allmählich wärmer. „Ist das Wetter normal für Oregon?“
Wieder huschte ein leichtes Lächeln über sein Gesicht. „Für Oktober schon. Sie haben Glück, dass es nicht regnet. Woher kommen Sie?“
„Aus San Francisco.“
„Zu Besuch hier?“
„So ungefähr.“ Die Entscheidung, nach Oregon zu komm