1. KAPITEL
DerMetro Transit Bus stieß bei der Abfahrt von der Haltestelle eine widerliche Abgaswolke aus. Justin Maxwell konnte kaum atmen. Er wischte sich gerade die tränenden Augen, da raste ein schickes Coupé durch eine tiefe Pfütze am Straßenrand und spritzte ihn von oben bis unten nass.
Justin schüttelte sich und fluchte. Nächste Woche, wenn er seine neue Stelle antrat, würde er sofort anfangen, für ein Auto zu sparen. Es musste ja kein Sportwagen sein. Es musste nicht einmal ein Neuwagen sein. Verdammt, so eins konnte er sich eh nicht leisten. Hauptsache ein eigenes Fortbewegungsmittel, damit er im miesen Wetter von Seattle nicht mehr auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen war.
Er warf seinen Seesack über die Schulter, ging dieBroad Street bis zurThird Avenue hoch und dann die Gasse hinter demBeaux Hommes entlang.
Die Vorderseite des Revuetheaters, in dem nur Männer auftraten, wirkte ausgesprochen luxuriös. Von hinten sah man dafür nur gewöhnlichen Betonstein, vergitterte Fenster und Stahltüren. Ein Gebäude mit Industriecharme, wenn man es so nennen wollte.
Justin lief die Stufen zur Tür hoch, entsperrte das Schloss mit dem digitalen Zugangscode und trat ein. Zuerst musste er unter die Dusche. So schmutzig, wie er war, konnte er auf keinen Fall auf die Bühne.
Tiefe Stimmen und männliches Gelächter hallten durch den Flur. Als Justin sich durch die Schwingtür schob, wurde er laut begrüßt und sofort wegen seines ramponierten Zustands aufgezogen.
„Hey, ich kann nichts dafür, dass ich an einem schlechten Tag besser angezogen bin als ihr an eurem besten.“ Er warf die Tasche in seinen Spind und begann sich die nassen Sachen auszuziehen. Seit er im Klub arbeitete, achtete er sehr auf sein Äußeres. Diese Angewohnheit hing mit den mageren Zeiten zusammen, als er Kleidung hatte tragen müssen, die ihm zu klein geworden war, weil er kein Geld für neue gehabt hatte.
Diese Zeiten waren vorbei.
Levi, ein Freund und der Star des Klubs, musterte ihn abschätzend. „Was zum Teufel ist dir passiert? Du siehst aus, als ob du dich im Dreck gewälzt hättest. Hast du dich geprügelt oder herumgemacht?“
Justin schnaubte. „Weder noch.“
„Pech für dich.“ Levi reckte sich und ließ seine Muskeln spielen. „Ein wenig Action vor der Show schadet nie.“
Justin schüttelte den Kopf und lachte. „Ich dusche noch schnell. Wann bin ich heute an der Reihe?“
„Als Vierter. Du kommst nach Nick. Ich nach dir.“
„Unser Seelenklempner wird nicht viel verdienen, wenn er sich direkt nach mir zeigen muss“, rief Nick.
Justin lachte. „Stimmt. Du hast größere Brüste als ich.“ Es stimmte. Nick war mit einem Meter achtundachtzig so groß wie Justin, doch er brachte zwanzig Pfund mehr auf die Waage, und das an reiner Muskelmasse.
Nick ließ seine Brustmuskeln tanzen. „Hasst mich nicht, weil ich besser gebaut bin.“
Achselzuckend nahm Justin sein Duschzeug und schlug den Spind zu. „Jeder kann an seinem Körper arbeiten, Bruder, aber du kannst absolut nichts gegen dieses Gesicht machen.“
Schallendes Lachen erklang, auch von Nick, und Justin ging zu den Duschen.
Er würde diese Kameradschaft und das Gefühl von Zugehörigkeit vermissen, wenn er seine Auftritte künftig auf ein paar Abende pro Monat reduzierte. Mit seinem frisch verliehenen Doktortitel hatte er einen angemessenen Job gefunden. Ab Montag würde er nicht mehr festes Ensemble-M