1. KAPITEL
Selbst am traurigen Chatsfield-Standard gemessen, war die letzte Schlagzeile, die auf sein Konto ging, ein echter Hammer. Das musste sogar Lucca zugeben.
Betont lässig und mit dem trägen Lächeln, das zu seinem Markenzeichen geworden war, saß er dem neuen CEO gegenüber, den sein Vater kürzlich eingestellt hatte – offenbar nicht nur als Geschäftsführer der familieneigenen Hotelkette, sondern auch als Vollstrecker.
„Verraten Sie mir doch, was Sie mehr aufgebracht hat, Giantrakos: die Handschellen oder das lederne, mit Nieten besetzte Ding?“
Wenn etwas Christos Giantrakos noch mehr auszeichnete als sein Mangel an Humor, dann kompromisslose Härte. Die markanten Züge des Griechen wirkten wie aus Granit gemeißelt, die gletscherblauen Augen glitzerten eisig. Sein klassisch geschnittener Mund war nur ein schmaler Strich, der herbe Zug um die Mundwinkel verriet Eigensinn und einen Hauch Grausamkeit.
„Schlagzeilen ist man ja von Ihnen gewohnt, doch Ihr letzter Coup hat sich wie ein verheerender Flächenbrand über sämtliche Internetplattformen ausgeweitet, Lucca. Mit Ihren skandalträchtigen Affären machen Sie dem tadellosen Ruf des Hotels nichts als Schande.“
Bla, bla, bla …
Lucca versuchte erst gar nicht, sein Gähnen zu unterdrücken.Wie langweilig!
Das alles hatte er schon hundert, wenn nicht Trillionen Mal gehört. Den missbilligenden CEO nicht aus den Augen lassend, kippelte er mit seinem Stuhl und versuchte, ihn auf den hinteren Beinen in der Schwebe zu halten.
Strafpredigten wie diese waren nichts Neues für Lucca Chatsfield. Er genoss sie sogar, quasi als Revanche für die schmerzhafte Blamage, der er als siebenjähriger Knirps ausgesetzt gewesen war, während er mit eingenässten Hosen vor dem Internatsleiter gestanden hatte. Seitdem erlaubte er es sich nicht mehr, beschämt zu sein oder sich gedemütigt zu fühlen.
„Das einzig Berechenbare an Ihnen ist Ihre Unberechenbarkeit“, fuhr Giantrakos unerbittlich fort. „Und da Sie sich bisher konstant geweigert haben, Ihr Leben in den Griff zu bekommen, werden wir das jetzt für Sie übernehmen.“
„Lieber Himmel! Machen Sie doch kein Drama aus einer kleinen Party, die etwas aus dem Ruder gelaufen ist“, forderte Lucca. „Die Presse stellt es natürlich gleich alsOrgie dar. Dabei habe ich nicht eine der scharfen Partymäuse vernascht. Obwohl … aber da war ich mit Handschellen ans Bett gefesselt und konnte mich einfach nicht wehren.“
Auf Christos dunkler Wange zuckte ein Muskel. „Ihr Vater hat beschlossen, Ihnen den Zugriff auf den Chatsfield Family Trust zu sperren. Sollten Sie sich weigern, den Vertrag, den ich aufgesetzt habe, zu erfüllen, verfügen Sie ab sofort über keinen einzigen Penny mehr. Es wird eine ganz neue Erfahrung sein, für Ihren Lebensunterhalt zu arbeiten, anstatt sich als professioneller Partyhengst zu profilieren, der sich von Möchtegernstarlets und geldgierigen Harpyien ausnehmen lässt.“
Lucca beugte sich abrupt vor und landete wieder auf allen vier Stuhlbeinen. In der nächsten Woche fand in Monaco eine exklusive Kunstauktion statt, die er auf keinen Fall verpassen durfte. Denn dort wurde eine Miniatur-Malerei angeboten, die er seiner privaten Sammlung einverleiben wollte. Sein Bauchgefühl sagte ihm, dass sie in wenigen Jahren Millionen wert sein würde.
Und jetzt sollte er sich die Chance seines Lebens entgehen lassen, nur weil man ihn in irgendeine Enklave am Ende der Welt verbannte, um für seine Sünden zu büßen? Aber den ungehinderten Kontozugang zu riskieren, brachte ihn seinem Ziel auch nicht näher.
Außerdem schuldete ihm die Familie, die im eigentlichen Sinne ja gar keine war, diese Art von Freiheit. Zumindest sah Lucca das so.
„Auf was für eine Art vonMission wollen Sie mich denn schicken?“, fragte er flapsig.
„Einen Monat im Chatsfield Hotel in Preitalle.“
Das Fürstentum im Mittelmeer lag nur eine kurze Fährfahrt oder einen Helikopterflug von Monte Carlo entfernt. Lucca senkte den Blick, um sich seine Erleichterung nicht anmerken zu lassen. Der neue CEO schien sich in der Diktatorenrolle zu gefallen, wie damals der Internatsleiter, daher war es wohl klüger, den Zerknirschten zu mimen.
„Um dortwas zu tun?“, fragte Lucca mit einer Mischung aus Unsicherheit und Trotz in der Stimme, wie sie zu diesem Spiel zwischen Peiniger und Opfer gehörte. Innerlich hatte er sich unter Kontrolle. Ab