1. KAPITEL
Ian Westmoreland saß an seinem Schreibtisch und steckte bis zum Hals in Büroarbeit, als er plötzlich ein seltsames Ziehen in der Magengegend spürte. Dafür gab es keinen ersichtlichen Grund. Aber Ian war inzwischen dreiunddreißig Jahre alt und hatte gelernt, auf seine Intuition ebenso zu vertrauen wie auf seinen Verstand.
Nachdenklich hob er den Kopf und blickte auf die holzvertäfelte Wand vor ihm.
Er streckte die Hand aus, drückte einen Knopf und beobachtete, wie die Holzverkleidung zur Seite glitt und den Blick auf eine riesige Glasfront freigab.
Geschäftig liefen die Menschen durch das Casino, versuchten ihr Glück an den Spielautomaten und – tischen und bemerkten nicht, dass sie beobachtet wurden. In bestimmten Bereichen des Casinos wurden sie außerdem abgehört. Mehr als einmal hatten die Überwachungsgeräte Gespräche aufgezeichnet, die besser unbelauscht geblieben wären. Aber für den Betrieb eines Casinos von der Größe des „Rolling Cascade“ hatten Monitore und verspiegelte Glaswände aus Sicherheitsgründen durchaus ihre Daseinsberechtigung.
Nicht alle Casinobesucher waren gekommen, um zu spielen. Leider gab es auch einige, die die Schwäche anderer gezielt ausnutzten, und auf diese Sorte Gäste konnte Ian sehr gut verzichten. Der große Überwachungsraum im dritten Stock war mit erstklassigen Sicherheitsexperten besetzt, die mithilfe von hundert Monitoren vierundzwanzig Stunden am Tag Aufsicht führten und sicherstellten, dass es keine Zwischenfälle gab.
Seit der großen Eröffnungsfeier verzeichneten Casino und Resort viele Buchungen von Menschen, die neugierig waren und sich das Resultat der umfangreichen Renovierungsarbeiten anschauen wollten. Sie fanden die Gerüchte bestätigt: Das vormals heruntergewirtschaftete Casino erstrahlte nun in völlig neuem Glanz. Eine Sonderausgabe desPeople Magazine hatte verkündet, dass das „Rolling Cascade“ Casino echte Las-Vegas-Atmosphäre an den Lake Tahoe gebracht hatte – und das auf allerhöchstem Niveau.
Ian stand auf, ging auf und ab und setzte sich schließlich auf die Schreibtischkante. Sein scharfer und abschätzender Blick war auf die Menschenmenge gerichtet. Es musste einen Grund dafür geben, dass er diese merkwürdige Anspannung verspürte. Der Eröffnungstag war ein voller Erfolg gewesen, und Ian war glücklich, dass ihm der Aufstieg zum Casinobesitzer so leichtgefallen war. Vorher hatte er als Kapitän ein Riverboat gesteuert, ein Ausflugsschiff auf dem Mississippi.
Nach ein paar Minuten wollte er sich abwenden – seine Intuition funktionierte wohl heute nicht –, als er sie sah.
Brooke Chamberlain.
Erschrocken sprang er auf. Was, zum Teufel, machte sie hier? Er entschied, dass er keine Zeit mit Rätselraten verschwenden wollte, und griff zum Telefonhörer. Der Sicherheitsmanager des Casinos meldete sich sofort.
„Ja, Ian?“
„Am südwestlichen Blackjack-Tisch steht eine Frau in einem taubenblauen Hosenanzug. Bitte begleite sie in mein Büro.“
Es entstand eine Pause, bevor der Sicherheitsmanager etwas erwiderte. Ian antw