2. KAPITEL
Das Wetter war außergewöhnlich schön. Zwar waren die Abende kalt und die Nächte frostig, doch alle, sowohl die Gäste als auch die Angestellten, teilten die Ansicht, dass es auf Mallorca im Februar selten so viele warme und sonnige Tage gegeben hatte. Wie für Lilian bestellt! Der Aufenthalt im „Paraíso Verde“ übertraf all ihre Erwartungen, und die Anlage hatte sich ihren Namen wirklich verdient.
Lilian war jedenfalls von der entspannten Atmosphäre und dem umweltfreundlichen Konzept begeistert.
Seit ihrer Ankunft vor drei Tagen schien es sogar noch wärmer geworden zu sein. Schon morgens hatte Lilian es sich in Gesellschaft einiger anderer Sonnenanbeter auf einer Liege in einer windgeschützten Ecke am Pool bequem gemacht.
Wenn sie zum strahlend blauen Himmel emporsah, wiegte sich in ihrem Blickfeld ein großer Palmwedel im Wind, blickte sie zur Seite, stand dort ein Fruchtcocktail griffbereit, und vor ihr verlockte das überhaupt nicht kalte Wasser des kunstvoll mit bunten Mosaiksteinen eingefassten Pools zum Schwimmen.
Einige Mutige stürzten sich sogar ins kühle Meer, das nur einen Steinwurf entfernt war und über dem sie abends von ihrem Balkon aus die schönsten Sonnenuntergänge betrachten konnte. Es war einfach traumhaft!
Lilian drehte sich auf den Bauch, um auch ihren Rücken von der Sonne wärmen zu lassen. Wie sehr wünschte sie sich, sie könnte die Zeit anhalten. In einer Woche schon würde sie wieder nach London zurückfliegen … Warum nur konnte der Urlaub nicht vierzehn Tage dauern, so wie sie es Ramiro gegenüber behauptet hatte?
Ramiro … schon wieder beschäftigte sie sich mit ihm! Seit sie ihn das erste Mal gesehen hatte, spukte er ihr im Kopf herum. Sie war ihm bisher nicht wieder begegnet, was wahrscheinlich besser so war. Wenn sie nur an ihn dachte, wurde sie schon nervös.
Es war geradezu unheimlich, wie ihr Körper verrücktgespielt hatte, als sie sich kurz miteinander unterhalten hatten! Was, wenn da noch mehr zwischen ihnen passieren würde? Es war nicht auszumalen. Außerdem war es sowieso Unsinn, sich so etwas vorzustellen.Und wie würde ich reagieren, wenn ich ihm nochmals begegnete? Und …
Verflixt! Lilian rollte sich herum und setzte sich auf, um ihr Gedankenkarussell zu stoppen. Sie wollte doch überhaupt nicht an Ramiro denken! Schnell griff sie nach den Postkarten, die sie mit an den Pool genommen hatte, um Sophie und ihrer Mutter einen Gruß zu schicken, als plötzlich ein Schatten auf sie fiel und sie aufblicken ließ.
Ramiro hatte am Fenster seines Büros gestanden und hinunter auf den Swimmingpool gesehen, der in der Sonne glitzerte. So ein ungewöhnlich warmer Monat! Die Gäste waren rundum zufrieden, und manche gingen sogar schwimmen. Dennoch zeichnete sich ein leichter Rückgang in der Nachfrage für diese Saison ab. Wie konnte das sein? Zeigte die massive Werbung der anderen, die sich nun auch mit dem ökologischen Etikett schmückten, etwa schon seine Wirkung?
Den ganzen Vormittag hatte er darüber nachgegrübelt, bis ihm Lily unter den vereinzelten Sonnenanbetern am Pool aufgefallen war. Fasziniert hatte er beobachtet, wie sie ihren schönen, schlanken Körper auf der Liege ausstreckte. Zierlich und weiblich zugleich war die junge Engländerin wahrhaftig zum Anbeißen.
Also hatte er gerade zum Telefonhörer gegriffen und Sancho angerufen. Nicht dass er jede Frau, die ihm gefiel, unbedingt auch verführen wollte. Doch die Plauderei mit dieser Sprachstudentin ließ ihn nicht mehr los, und er hatte dringend etwas Ablenkung nötig, damit ihn seine Sorgen nicht erdrückten.
Nicht nur das Geschäftliche lastete auf ihm. Es gab da noch eine andere Angelegenheit, über die er kaum mit jemandem reden konnte, denn wer glaubte schon an eine Prophezeiung? Dazu war die Welt viel zu nüchtern und er eigentlich auch viel zu sehr ein Verstandesmensch.
Trotzdem. Er musste endlich die richtige Frau für sich finden, schließlich hatte er das nicht nur sich selbst versprochen, und ein einmal gegebenes Wort galt es zu halten.
In diesem Moment betrat Sancho das Arbeitszimmer, wie immer zu jeder Hilfe bereit. „Ja, natürlich kann ich dich heute im Büro vertreten“, beantwortete er lächelnd Ramiros diesbezügliche Frage.
Wie so oft fühlte sich Ramiro, ohne viele Worte verlieren zu müssen, von Sancho verstanden. Sie hatten beide mexikanische Wurzeln, denn auch Ramiros Vater stammte aus Mexiko, und er hatte Sancho mit nach Mallorca gebracht, als er vor vielen Jahren Ramiros Mutter, eine Spanierin, geheiratet hatte.
„Ist unsere kleine Gartenbar heute schon geöffnet?“, fragte Ramiro.
„Nein, wir sind noch am Vorbereiten. Ich könnte dort allerdings schnell etwas improvisieren …“
„Das wäre gut.“ Ramiro nickte zufrieden. Sancho würde der Engländerin also die Einladung überbringen, und er konnte vorher noch die dringendsten Telefonate erledigen.
Doch zunächst wollte er unbedingt mit eigenen Augen sehen, wie Lily reagierte. Er lächelte, als er wenig später von seinem Bürofenster aus beobachtete, wie Sancho vor ihr stehen blieb und eine überaus höfliche Verbeugung machte.
Lilian blinzelte irritiert, denn vor ihr stand der Mann mit dem imposanten Schnauzbart, den sie am Tag ihrer Ankunft mit Ramiro an der Bar gesehen hatte.
„Guten Tag“, erwiderte sie seinen Gruß etwas unsicher und fragte sich, was er wohl von ihr wollte.
„Mein Name ist Sancho Morales“, stellte ich sich vor, „und Ramiro schickt mich.“
Lilians Herzschlag schien für einen Augenblick auszusetzen. „Oh, ist er denn hier?“, versuchte sie, ihre Überraschung zu verbergen. „Ich habe ihn noch gar nicht gesehen.“
Sancho lächelte entschuldigend. „Er gibt sehr viel zu tun, wenn die Saison beginnt. Schließlich betreiben wir auch noch ein weiteres Feriendomizil auf dieser Insel.“
„Das wusste ich nicht“, erklärte Lilian und zog die Beine an ihren Körper. Schließlich war sie kaum bekleidet, was ihr auf einmal nicht mehr so angemessen zu sein schien.
„Ramiro möchte Sie zu einem Drink einladen“, fuhr Sancho fort. „Wie wär’s in einer halben Stunde?“
Lilians Kehle war plötzlich ganz trocken. „Gern!“, hörte sie sich bet