: Else Ury
: Else Ury Gesammelte Werke
: Null Papier Verlag
: 9783954187010
: Gesammelte Werke bei Null Papier
: 2
: CHF 1.70
:
: Vorlesebücher, Märchen, Sagen, Reime, Lieder
: German
: 5928
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB/PDF
Über 100 Romane und Kurzgeschichten auf mehr als 5000 Seiten Die erfolgreichste deutsche Kinderbuchautorin des 20. Jahrhunderts. Alle Nesthäkchen-Geschichten, alle Romane und dutzende Kurzgeschichten. Nesthäkchen ist zurecht der Klassiker der »Backfischliteratur«. Im Jahre 1983 wurde die Handlung der ersten drei Bände als Weihnachtsserie im ZDF gezeigt. Über mehrere Bände hinweg wird die Lebensgeschichte der Annemarie Braun erzählt. Insgesamt gibt es zehn Bände, die von Annemaries Kindheit, ihrer Jugend bis zur eigenen Eltern- und schließlich sogar Großelternschaft berichten. Die jüdische Autorin Else Ury, zeitlebens eine deutsch-konservative und unpolitische Person, wurde von den Nazis in Auschwitz ermordet. Diese Sammlung beinhaltet alle Romane der Nesthäkchen-Reihe und der Reihe 'Professors Zwillinge', dazu weitere Jugendromane und dutzende Kinderschichten. Null Papier Verlag

Else Ury kennen viele als Autorin der »Nesthäkchen«-Reihe, die seit Beginn des 20. Jahrhunderts als Lektüre für Mädchen in den Buchläden zu finden ist. In den 1980er Jahren sahen viele Kinder und Erwachsene zudem die Verfilmung als Fernsehserie im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Doch wer war Else Ury? Wer einen Blick auf ihre Biografie wirft, entdeckt eine tragische Geschichte jenseits der kindlichen Welt, die sie für ihre Bücher erschuf. Die jüdische Autorin Else Ury, zeitlebens eine deutsch-konservative und unpolitische Person, wurde von den Nazis in Auschwitz ermordet.

1. Kapitel. Puppenmütterchen


Habt ihr schon mal unser Nesthäkchen gesehen?

Es heißt Annemarie, Vater und Mutti aber rufen es meistens »Lotte«. Ein lustiges Stubsnäschen hat unser Nesthäkchen und zwei winzige Blondzöpfchen mit großen, hellblauen Schleifen. »Rattenschwänzchen« nennt Bruder Hans Annemaries Zöpfe, aber die Kleine ist ungeheuer stolz auf sie. Manchmal trägt Nesthäkchen auch rosa Haarschleifen, und die Rattenschwänzchen als niedliche, kleine Schnecken über jedes Ohr gesteckt. Doch das kann es nicht leiden, denn die alten Haarnadeln pieken. Sechs Jahre ist Annemarie vor kurzem geworden, ihre beiden Beinchen stecken in Wadenstrümpfen und hopsen meistens. Keinen Augenblick stehen sie still, geradeso wie ihr kirschrotes Mäulchen. Das schwatzt und fragt den ganzen lieben Tag, das lacht und singt, und nur ganz selten mal verzieht es sich zum Weinen.

So sieht unser Nesthäkchen aus, und wenn ihr in Berlin lebt, könnt ihr es jeden Tag mit Fräulein in den Tiergarten gehen sehen.

In einem schönen, großen Hause wohnt Klein-Annemarie, in einer langen Straße, durch die elektrische Bahnen bimmeln. Ein Gärtchen ist vor dem Hause, aber keiner darf hinein, das erlaubt der Portier nicht. Er selbst aber kann sooft darin herumspazieren, wie er nur Lust hat, das Gras schneiden, die Beete begießen und sogar das Gitter mit schöner neuer Ölfarbe anstreichen. Darum glaubt Annemarie, daß der Portier beinahe so viel ist wie der Kaiser. Und wenn sie nicht Muttis Nesthäkchen wäre, dann würde sie am allerliebsten Portier sein. Manchmal aber auch Konditor.

Zwei größere Brüder hat Annemarie, den wilden Klaus, der nur zwei Jahre älter ist als sie, und den großen Quartaner Hans, der sogar schon Latein kann. Ihr Hänschen liebt die Kleine über alles, wenn er sie auch öfters mal neckt, während es mit Kläuschen nur allzuoft Krieg gibt.

Ach, was ist das für ein schönes, warmes Nest, in dem das Nesthäkchen daheim ist. Wenn der Vater abgespannt von der Praxis nach Hause kommt, denn Annemaries Papa ist ein viel beschäftigter Arzt, und sein kleines Mädchen springt ihm jubelnd an den Hals, dann hat er alle Müdigkeit vergessen. Er lacht und scherzt mit ihr, ja, er setzt sie sogar auf seine Schultern und reitet mit dem jauchzenden Ding durch sämtliche Zimmer. Sagt Mutti dann: »Du verwöhnst unsere Lotte zu sehr, Vater, sie ist schon viel zu groß dazu«, dann drückt er seinen Liebling nur um so fester ans Herz und meint lächelnd: »Es ist doch unser Kleinstes!«

Wenn aber der Vater mal davon anfängt, daß es nun auch für Annemarie bald Zeit sei, in die Schule zu gehen, dann breitet Mutti ihre Arme um das Töchterchen und bittet: »Laß sie mir doch noch ein Weilchen zu Hause, sie ist ja so zart und doch unser Nesthäkchen!«

Ja, Nesthäkchen wird von allen Seiten ein wenig verwöhnt. Wenn Fräulein auch noch so viel zu tun hat, sie wird nicht müde, Annemies tausend Fragen zu beantworten. Dafür hat die Kleine aber auch ihr Fräulein ganz schrecklich lieb.

Hanne, die Köchin, schmunzelt über das breite, rote Gesicht, wenn Annemie ein bißchen zu ihr in die Küche herauskommt, weil sich die Hanne so ganz allein am Ende langweilen könnte. Ob das kleine Fräulein ihr auch noch so zwischen ihren Töpfen, Löffeln und Quirlen kramt, Hanne wirft Annemarie nicht raus. Dabei macht sie doch mit den beiden Jungen nicht viel Umstände und bringt sie öfters mal auf den Trab.

Auch Frida, das Stubenmädchen, läßt sich die Gesellschaft der Kleinen beim Plätten, Maschinenähen und Stubenbohnern gern gefallen.

Der gute Bruder Hans findet trotz seiner vielen Schularbeiten noch Zeit, dem Schwesterchen Schiffchen zu machen und Kreiselstöcke zu fabrizieren.

Nur Klaus meint, daß Annemie zu sehr verwöhnt wird und