PROLOG
„Isla?“ Cathy klang panisch. „Was bedeutet der Alarm?“
„Machen Sie sich keine Sorgen.“ Isla blickte zum Anästhesisten hinüber, froh darüber, dass er die Richtwerte neu einstellte, um die werdende Mutter nicht zu beunruhigen.
„Hat es mit meinem Baby zu tun?“
„Das Gerät hat nur angezeigt, dass Ihr Blutdruck leicht gesunken ist. Das ist völlig normal bei einer Rückenmarksnarkose.“
Isla saß am Kopfende des OP-Tischs und tat ihr Bestes, um die ängstliche Patientin zu beschwichtigen. Cathys Mann Dan machte sich gerade bereit, in den OP zu kommen, um seiner Frau beizustehen.
„Meinem Baby geht es wirklich gut?“
„Ja, alles in Ordnung.“
„Ich habe solche Angst, Isla.“
„Das weiß ich.“ Sie strich Cathy über die Wange. „Aber es ist alles gut.“
Und das sollte bei diesem Kaiserschnitt auch so bleiben!
Isla, leitende Hebamme der Melbourne Maternity Unit am Victoria Hospital, hatte Cathy und Dan durch schwere Zeiten begleitet. Mit mehreren Versuchen künstlicher Befruchtung, vier Fehlgeburten und zwei Totgeburten bezahlte das Paar einen hohen Preis für sein Elternglück. Heute, am späten Nachmittag des Valentinstags, hatte sich nun das innig ersehnte Baby auf den Weg gemacht.
Ursprünglich war am nächsten Donnerstag, in der siebenunddreißigsten Schwangerschaftswoche, ein Kaiserschnitt geplant gewesen. Vor zwei Stunden jedoch hatte Cathy in der MMU, wie die Entbindungsstation genannt wurde, angerufen, weil die Wehen eingesetzt hatten. Man riet ihr, sofort zu kommen.
Durch ihre leitende Funktion hatte Isla eigentlich einen Nine-to-five-Job, doch sie wusste schon lange, dass Babys sich nicht an Dienstpläne hielten.
Nach Cathys Anruf sagte sie ihre Teilnahme an der Budget-Besprechung heute Abend ab. Ob sie ihren zweiten Termin später in der Rooftop Garden Bar wahrnehmen konnte, würde sich zeigen. Dort wollte sie bei einem Umtrunk mit Kolleginnen und Kollegen den neuen Neonatologen Dr. Alessandro Manos willkommen heißen.
Doch die Party konnte warten.
Um nichts in der Welt wollte Isla diese Geburt verpassen.
Sie war achtundzwanzig, und nicht wenige nahmen an, dass sie die gehobene Position ihrem Vater Charles Delamere, dem Direktor des Victoria Hospitals, verdankte.
Womit sie völlig falschlagen.
Zwar stimmte es, dass Isla und ihre Schwester Isabel, die an diesem Abend bei Cathy den Kaiserschnitt durchführte, schon wegen ihrer Familie zu den prominenten Gesichtern der Melbourner High Society gehörten. Blond, schön und glamourös, erregten die Delamere-Töchter immer wieder die Aufmerksamkeit der Medien. Es gab genügend gesellschaftliche Anlässe, auf denen sie sich blicken ließen. Sie bewohnten zusammen ein Luxus-Penthouse, trugen Designerkleidung, und das Schaulaufen auf dem roten Teppich war eine ihrer leichtesten Übungen, die sie elegant und mit natürlicher Anmut absolvierten.
Und das war es auch für Isla: eine Pflicht, der sie nachkommen musste.
Ihr Herz schlug für etwas anderes. Sie liebte ihren Beruf und die Arbeit in der MMU. Dort war sie ganz sie selbst.
Also saß sie hier in OP-Kleidung, das lange blonde Haar unter einer rosa OP-Kappe und die vollen Lippen hinter dem Mundschutz verborgen. Niemand im Raum interessierte sich dafür, dass sie Isla Delamere war, Societyprinzessin von Melbourne und mit Rupert liiert, einem Hollywoodstar, den sie aus der Schulzeit kannte.<