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Pia Waage schlief, als Frank Janssen ein paar Stunden später ins Krankenhaus kam. Sie lag zusammengekauert auf der Seite, die Bettdecke hatte sie bis zu den Lippen gezogen, als würde sie frieren. Eine Haarlocke klebte ihr an der Stirn, ihre Augen umgaben dunkle Schatten. Es war fast acht Uhr abends, die einsetzende Dämmerung hatte den Himmel eine Nuance dunkler werden lassen, jemand hatte eine Leselampe eingeschaltet, sodass das grau lackierte Kopfende des Bettes in einem gedämpften, warmen Licht erschien. Frank blieb an der Tür des Einzelzimmers stehen und betrachtete seine Stellvertreterin. Als er das letzte Mal im Trauma-Zentrum des Krankenhauses von Christianssund gewesen war, hatte Pia ebenfalls hier gelegen. Doch obwohl ihre physischen Verletzungen damals erheblich schwerer gewesen waren, sah die Situation diesmal doch weitaus ernster aus.
»Sie hat etwas zur Beruhigung bekommen«, erklärte eine junge Krankenschwester, die plötzlich neben ihm aufgetaucht war.
»Darf ich sie wecken?«
»Sie hat erwähnt, mit Ihnen sprechen zu wollen, sobald Sie hier sind, insofern …« Die Krankenschwester trat ans Bett. »Pia?« Sie legte eine Hand auf den Arm der schlafenden Frau.
Pia bewegte sich ein wenig und öffnete halb die Augen.
»Ihr Chef ist hier.«
»Mmm?«
Die Krankenschwester half der Patientin in eine sitzende Position und verließ das Zimmer.
»Wie geht’s dir, Waage?« Frank zog einen Stuhl ans Bett.
Pia sah ihn einige Sekunden an, und ohne Vorankündigung liefen ihr Tränen über die Wangen. Sie verbarg ihr Gesicht in den Händen. Frank blieb ruhig sitzen und ließ sie weinen. Er kannte sie zu gut, um sie zu umarmen oder sonst zu berühren. Nicht einmal in einer Krisensituation wie dieser würde Pia eine derartige Grenzüberschreitung akzeptieren. Wie klein sie ist, dachte er – nicht zum ersten Mal –, als er die weinende Frau betrachtete. Obwohl Pia durchtrainierter und um einiges schneller war als die meisten ihrer männlichen Kollegen, war sie ein Strich in der Landschaft, mit zarten Handgelenken und einem grazilen Nacken. So wie sie dort saß und versuchte, lautlos zu weinen, glich sie einem Kind.
»Entschuldige«, sagte Pia kurz darauf. Sie nahm ein Papiertaschentuch vom Nachttisch und putzte sich die Nase.
»Es gibt nichts zu entschuldigen.« Er wartete einen Moment, aber da sie nichts weiter sagte, fuhr er fort: »Soweit ich die Ärzte verstanden habe, bist du unverletzt.«
Sie schüttelte den Kopf. »Zumindest physisch.« Sie tupfte sich die Augen, knüllte das Taschentuch zu einer Kugel und richtete sich auf. »Schieß los.«
»Wenn du so weit bist.«
»Klarer werde ich kaum.«
»Okay.« Er beugte sich ein wenig vor. »Du hast Dorthe Bertelsen gekannt, oder?«
»Ja.«
»Seid ihr Freundinnen gewesen?«
Sie richtete den Blick auf die durchweichte Papierkugel und zögerte. Frank wusste, wie sehr Pia ihr Privatleben abschirmte. Keiner ihrer Kollegen war je bei ihr zu Hause gewesen, und sie hatte niemals über ihre sexuelle Orientierung gesprochen, noch nicht einmal, als die anderen sich über sie lustig machten, um es ihr zu entlocken. Jetzt nickte sie nur nach einer kurzen Pause.
»Ich muss dich etwas fragen, Waage.«
»Natürlich.«
»Dafür muss man sich nicht schämen.«
»Wer sagt denn, dass ich mich schäme?«
Frank zuckte die Achseln. »Du redest nie darüber.«
»Darüber? Dass ich lesbisch bin, meinst du?«
»Ja.«
Pia sah ihn an. »Ich weiß doch auch nicht alles über dich.«
»So wie ich das sehe, bist du ziemlich gut informiert. Du weißt, dass ich Single bin, eine Zeit lang mit einer Freundin zusammengewohnt habe, auf Amager aufgewachsen bin, Comics le