Der merkwürdige Mr Melvin Malone
Dieser Frühling war kein Zuckerschlecken. Und das lag nicht nur daran, dass Ottos Lehrer eine Prüfung nach der anderen schreiben ließen, um die Schüler der Sigmund-Schwefelkopf-Schule vor den Sommerferien noch einmal ordentlich zu quälen. Noch viel mehr nervte es, dass die blühenden Gräser, die warmen Temperaturen und der Sonnenschein jedem in Ottos Umgebung heftige Frühlingsgefühle zu verpassen schienen.
Ottos Kumpel, der Sensenmann Harold, war neuerdings unsterblich in seine Kollegin Gundula verliebt – auch wenn er das nur über seine Leiche zugegeben hätte. Und sogar Ottos Hausfledermaus Vincent war vom Liebesvirus befallen. Pausenlos schwärmte der kleine Kerl von Ms Singh, Ottos Kunstlehrerin. Es war zwecklos, ihm zu erklären, dass diese Liebe keine Zukunft hatte.
Seit Vincent sein Herz verloren hatte, war er nervtötender als je zuvor und leider zu nichts mehr zu gebrauchen. Dabei wäre Otto gerade jetzt, während dieses schwierigen Mathetests, froh über seine Unterstützung gewesen. Er hatte sich sogar absichtlich in die letzte Reihe gesetzt, wo ihm Vincent die richtigen Antworten gefahrlos mit einem kleinen Taschenrechner ausrechnen und dann aus der Tasche seines Sweaters hätte zuflüstern können. Doch anstatt zu helfen, hatte Vincent sich in das flauschige Futter von Ottos Pullover gekuschelt und träumte vor sich hin, während ihm hin und wieder ein erwartungsvoller Seufzer entwich. Kein Wunder, denn in der nächsten Stunde hatten sie Kunst.
»Hey, du Schnarchnase! Wie lautet die Quadratwurzel von hundertneunundsechzig?«, zischte Otto seiner Hausfledermaus zu, als er die einfachen Aufgaben gelöst hatte. Von Zahlen über hundert hatten sie im Unterricht nie die Wurzel gezogen, darum empfand Otto den Test heute als extrafies. »Vincent, mach schon. Kannst du mir helfen?«
Es dauerte einige Augenblicke, dann bewegte sich schließlich etwas in Ottos Sweater, gefolgt von einem lang gezogenen Gähnen. »Oh Mann, Otto, wäre es nicht besser gewesen, du hättest gestern Abend für Mathe gelernt, anstatt mit Harold in seiner alten Schrottkiste durch die Stadt zu gurken?«, meckerte Vincent aus der Tasche. »Deine Klassenkameradin mit den roten Haaren und der hässlichen rosa Brille scheint jedenfalls kein Problem mit den Fragen zu haben.«
»Also erstens ist Megan ein Taschenrechner auf zwei Beinen. Und zweitens war die Spritztour mit Harold schon letzte Woche. Ich musste ihm dabei helfen, einen schönen bunten Blumenstrauß für Gundulas Todestag auszusuchen. Kann es sein, dass die Liebesviren schon dein Gedächtnis angegriffen haben?«
»Liebes-was? Du tickst wohl nicht richtig, mein Freund!« Empört reckte Vincent seinen pelzigen Kopf aus der Tasche, doch Otto drückte ihn sanft wieder zurück, bevor irgendjemand in der Klasse etwas mitbekam.
»Jetzt tu doch nicht so, Vincent. Du bist schon seit dem Wochenende ganz aufgekratzt, weil du weißt, dass wir Mittwoch Kunst haben. Und jetzt hilf mir endlich, sonst … sonst setz ich dich in einer einsamen Höhle in Schottland aus. Inklusive Bären.«
Vincent knurrte verärgert. »Dann … dann erschrecke ich Tante Sharon, wenn sie morgens unter der Dusche steht.«
»Das wagst du nicht!«
»Wetten doch?«
»Schscht«, machte Ottos beste Freundin Emily, drehte sich zu ihm und schüttelte tadelnd den Kopf. Otto warf einen schnellen Blick zum Lehrerpult, wo Mr Pickles, der st