: James Rebanks
: Mein Leben als Schäfer
: C.Bertelsmann Verlag
: 9783641183233
: 1
: CHF 8.90
:
: Romanhafte Biographien
: German
: 288
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
»Die Naturbuch-Sensation des Jahres. Unsentimental und doch kraftvoll . . . Ein Gegenmittel gegen unseren modernen Großstadtzynismus und ein zutiefst moralisches Buch.« The Times

Allein mit sich und der Natur, im Takt der Jahreszeiten und der Arbeiten, die sie mit sich bringen – das Leben der Schäfer verläuft heute noch wie vor Hunderten von Jahren. Im Sommer werden die Schafe in die Berge getrieben, im Herbst die Herden vergrößert, im Winter die Tiere vor der Kälte geschützt, ehe im Frühling die Lämmer zur Welt kommen und der Kreislauf von Neuem beginnt.

James Rebanks, der einer traditionellen englischen Schäferfamilie entstammt, bietet in seinem Buch einen einzigartigen Einblick in das ländliche Leben. Er erzählt von einer tiefen Verbundenheit zu seiner Heimat und von Menschen mit großer Bodenständigkeit, obwohl sich die Welt um sie herum vollständig verändert hat.

»Ein kluges Buch über Heimat und ein Leben in den Zyklen der Natur.«Berliner Zeitung

»Rebanks erzählt von der Hoffnung, die im Miteinander liegt, vom Halt, den Familie bietet – und vom Vertrauen auf eine natürliche Ordnung der Dinge. Er schreibt unsentimental, voller Gefühl und ohne Nostalgie.«ARD ttt

»Das ist verdammt großartig.«Helen MacDonald, Autorin von »H wie Habicht«

James Rebanks wurde 1974 auf einer Farm im englischen Lake District geboren, die seine Familie seit über sechshundert Jahren bewirtschaftet. Er studierte Geschichte in Oxford, bevor er die Farm von seinem Vater übernahm. Sein erstes Buch, der eindrucksvolle autobiografische Bericht »Mein Leben als Schäfer«, wurde zum internationalen Bestseller und verschaffte ihm in England Kultstatus. Sein zweites Buch »Mein englisches Bauernleben« wurde vielfach ausgezeichnet, u.a. als Sunday Times Nature Book of the Year 2020 und mit dem Wainwright Prize for Nature Writing 2021. Es wird 2025 unter dem Titel »Unser kleiner Hof in den Hügeln« als Taschenbuch bei Penguin veröffentlicht. Einblicke in sein Leben gibt James Rebanks auf X und Instagram (@herdyshepherd1).

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Wir waren anders, von Grund auf anders, das wurde mir an einem verregneten Vormittag im Jahr 1987 bewusst. In der Gesamtschule unserer nächstgelegenen Kleinstadt, einem schäbigen Betonbau typisch Sechzigerjahre, hatten sich sämtliche Schüler in der Aula versammelt. Ich war ungefähr dreizehn, hockte inmitten all der anderen schulischen Leistungsverweigerer und ließ die Ansprache der kampfesmüden alten Lehrerin über mich ergehen. Es ging wieder einmal darum, dass wir uns doch höhere Berufsziele stecken sollten als nur Landarbeiter, Schreiner, Maurer, Elektriker oder Frisörin. Die Frau hatte uns diese Predigt schon unzählige Male gehalten, reine Zeitverschwendung, wie sie selbst wusste. Ebenso wie unsere Väter und Großväter, Mütter und Großmütter waren wir fest entschlossen, zu sein, was wir waren und immer schon gewesen sind. Viele von uns waren nicht auf den Kopf gefallen, dachten aber nicht im Traum daran, ihren Grips in der Schule vorzuführen. Das wäre uns nicht gut bekommen.

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Zwischen dem Weltverständnis dieser Lehrerin und unserem eigenen klaffte ein Abgrund. Letztes Jahr hatten alle Schüler unseres Jahrgangs, denen eine Schulbildung nicht völlig egal war, aufs Gymnasium gewechselt. Übrig blieben nur die Loser, die nun die nächsten drei Jahre an einem Ort absitzen mussten, von dem sich alle nur wegwünschten. Das führte zu einer Situation ähnlich einem Guerillakrieg: Lehrer, die ihre Illusionen weitgehend verloren hatten, standen den angeödetsten, aggressivsten Jugendlichen gegenüber, die man sich nur vorstellen kann. Unsere ganze Klasse spielte gern ein »Spiel«, bei dem es darum ging, innerhalb einer Unterrichtsstunde schulische Ausstattung von größtmöglichem Wert zu schrotten und das Ganze als »Panne« zu verkaufen.

Bei solchen Aktionen war ich gut.

Der Boden war übersät mit kaputten Mikroskopen, Tierpräpa­raten, zersplitterten Stühlen und zerfetzten Büchern. Eine in Form­aldehyd konservierte Froschleiche lag mit gespreizten Gliedern auf dem Boden wie ein Brustschwimmer. Die Gashähne brannten wie eine Bohrinsel, ein Fenster bekam einen Sprung. Die Lehrerin starrte uns nur noch an, in Tränen aufgelöst und völlig am Ende, während ein Techniker versuchte, die Ordnung wiederherzustellen. Eine Mathestunde gewann für mich erst an Reiz, als der Lehrer und ein Mitschüler mit Fäusten aufeinander losgingen. Der Junge rannte davon, die Treppe hinunter und über die schlammigen Sportplätze, der Lehrer immer hinterher, bis er den Jungen niederschlug, ehe er in die Stadt entwischen konnte. Wir klatschten, als hätten wir ein spannendes Rugby-Duell verfolgt. Von Zeit zu Zeit versuchte jemand – stets ein Stümper –, die Schule in Brand zu stecken. Ein Junge, den wir schikanierten, brachte sich ein paar Jahre später mit seinem Auto um. Es war, als steckten wir in einem Ken-Loach-Film fest: Niemand wäre überrascht gewesen, wenn ein magerer Junge mit einem Turmfalken aufgetaucht wäre.

Einmal hielt ich unserem verblüfften Direktor vor, die Schule sei in Wahrheit ein Gefängnis und ein »Übergriff auf meine Persönlichkeitsrechte«. Er sah mich befremdet an und fragte: »Aber was willst du denn zu Hause?«, als könne es darauf unmöglich eine Antwort geben. »Auf dem Hof arbeiten«, erwiderte ich genauso entgeistert – warum kapierte der Mann nicht, wie einfach die Sache war? Er zuckte resigniert mit den Schultern, meinte, ich solle mich nicht lächerlich machen, und ließ mich stehen. Wenn man etwas wirklich Gravierendes angestellt hatte, schickte er einen nach Hause. Deshalb überlegte ich, ob ich ihm nicht einen Ziegelstein durchs Fenster werfen sollte, traute mich dann aber doch nicht.

1987 hing ich also in dieser Schulversammlung meinen Tagträumen nach; ich starrte in den Regen hinaus und fragte mich, mit welchen Arbeiten die Männer auf unserem Hof gerade beschäftigt waren und welche ich davon wohl übernommen hätte. Irgendwie drang zu mir durch, dass von den Tälern des Lake District die Rede war, in denen mein Großvater und Vater ihre Höfe bewirtschafteten. Da schaltete ich auf Empfang. Aber schon nach ein paar Minuten Zuhören wurde mir klar, was diese Lehrkraft von uns hielt: Wir seien zu blöd und zu fantasielos, um