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Das Übel an der Wurzel packen.
Vom Fenster des Badezimmers, oben in dem rosafarbenen Häuschen, das er vor fast drei Monaten in einer hübschen kleinen Straße von San Francisco gemietet hatte, sah Jonathan, mechanisch mit seiner Rasur beschäftigt, wie der Klee sich unerbittlich über den Rasen ausbreitete. Die arme Wiese, unter der sengenden Julisonne gelb geworden, schien bereit zu kapitulieren. Selbst Clopyralid war machtlos dagegen: Ein ganzer Kanister voll Herbizid, zu Beginn des Monats versprüht, hatte nichts genutzt. Man müsste ihn eigenhändig ausreißen, einen Halm nach dem andern, dachte Jonathan, während der Rasierapparat unter monotonem Summen sein Kinn massierte. Der Garten lag ihm am Herzen. Hinter dem Haus nach Süden ausgerichtet war dies der Ort, wo seine Tochter Chloé spielte, wenn sie ihn an jedem zweiten Wochenende besuchte.
Nach beendeter Rasur schaute Jonathan auf seinem Smartphone die eingegangenen E-Mails durch: Anfragen von Kunden, eine Reklamation, ein verschobenes Mittagessen, der Monatsbericht der Buchhaltung, ein Angebot des Telefonanbieters und einige Newsletters.
Wieder vor dem Spiegel griff er nach Pinsel und Flakon mit braunem Haarfärbemittel und strich die Lotion behutsam über die ersten weißen Haare. Mit sechsunddreißig Jahren war er zu jung, um den Abdruck der Zeit einfach hinzunehmen.
Eilends machte er sich fertig, um rechtzeitig im Café am Platz zu sein. Seit der Gründung ihrer kleinen Versicherungsgesellschaft fünf Jahre zuvor trafen sie, die drei Teilhaber, sich dort jeden Morgen zu einem schnellen Kaffee auf der Terrasse. Eine von ihnen war keine andere als seine Exlebensgefährtin Angela, und selbst ihre kürzlich vollzogene Trennung hatte an diesem offensichtlich unwandelbaren Ritual nichts geändert.
Ihre Firma war die einzige in der Stadt, die sich auf kleinere Unternehmer aus der Umgebung spezialisiert hatte. Nach anfänglichen Schwierigkeiten hatten die Geschäfte nun so weit angezogen, dass die Teilhaber sich und ihrer Assistentin ein, wenn auch eher geringes, monatliches Gehalt überweisen konnten. Immerhin war es ihnen gelungen, sich zu etablieren, und die Wachstumsaussichten schienen durchaus vielversprechend. Sie mussten zwar alle Kraft zusammennehmen, und zeitweilig wurde Jonathan von einer bedrückenden Mutlosigkeit ergriffen, aber er glaubte daran, dass alles möglich sei, dass es keine anderen Grenzen gebe als die, die man sich selbst setzt.
Er trat hinaus, stieg die Außentreppe hinunter und ging zum Tor. Ein angenehmer sommerlicher Dunst lag in der Luft. Der kleine vordere Garten, der das Haus von der Straße trennte, befand sich nicht in besserem Zustand als der hintere. Nach Norden gelegen war er weithin mit Moos überzogen.
Im Briefkasten wartete Post. Jonathan öffnete ein Schreiben der Bank. Durch die Autoreparatur war sein Konto in die roten Zahlen gerutscht. Es musste schnellstens ausgeglichen werden. Das zweite Schreiben stammte von seinem Telefonanbieter. Sicherlich eine weitere Rechnung …
»Guten Tag!«
Der Nachbar, der ebenfalls gerade die Post holte, grüßte mit dem entspannten Ausdruck dessen, dem das Glück gewogen i