EINLEITUNG
Die vorliegende »Mutzenbacher« –Trilogie:Josefine Mutzenbacher – Geschichte einer Wienerischen Dirne, Meine 365 Liebhaber undPeperl Mutzenbacher, welche in der hier vorliegenden Form die Originalfassung wiedergibt, zeichnet ein eindrucksvolles Bild der Wiener Sittengeschichte vom Fin de Siecle bis zu Beginn der 30er Jahre.
Der erste Roman dieser Trilogie, der auch als die »Mutzenbacher« bezeichnet wird, gehört zu den deutschen Erotika unter den Klassikern dieses Genres. Das Buch erschien 1906 anonym bei dem Wiener Verleger Fritz Freund, der in der Krieglergasse 18 den Wiener Verlag betrieb. Fritz Freund war ein erfolgreicher Verleger von erotischen Büchern, der u. a. auch den »Reigen« von Arthur Schnitzler publizierte. Gegen Ende der 30er Jahre zog er sich aus dem Verlagsgeschäft zurück und betätigte sich in der Filmbranche.
Schon bald nach dem Erscheinen des Privatdruckes wurden in Wiener Literaturkreisen Arthur Schnitzler und Felix Salten als Autoren gehandelt. Gegen Schnitzler spricht nicht nur sein energisches Dementi, sondern auch der Umstand, daß er seine Werke immer, auch wenn sie ihm Nachteile brachten, mit seinem Namen gezeichnet hat.
Seit den 20er Jahren bis in unserer Zeit schrieb man die »Mutzenbacher« beharrlich dem zweiten Autor zu. (siehe H. Giebisch – G. Gugitz Biobibliographisches Lit.- Lexikon Österreichs 1964 S. 347) Felix Salten, dessen richtiger Name Siegmund Salzmann lautete, wurde 1869 in Budapest geboren und verstarb 1947 in Zürich nach amerikanischer Emigration. Er war besonders durch seine Tiergeschichten erfolgreich gewesen und schuf die Gestalt des »Bambi« (1923), die durch Disney-Verfilmungen seit 1941/42 weltweit verkitscht wurde. Auf Anfragen hin hat er stets die Autorenschaft an der »Mutzenbacher« bestritten (Paul Englisch: Geschichte der erotischen Literatur 1927 S. 292), wenngleich er auch nie gerichtlich dagegen vorgegangen ist. Die Befürworter einer Autorenschaft Saltens berufen sich immer auf Karl Kraus, einem intimen Kenner der Wiener Literaturszene, der in seiner Zeitschrift »Die Fackel« öfters Felix Salten als den »Schöpfer der Mutzenbacher« bezeichnete. Wenn man diese Stellen aber genau interpretiert, so ist unschwer zu erkennen, daß Kraus durch diesen Hinweis von dem erfolgreichen Autor von Tiergeschichten ein satirisches Bild zeichnen wollte. Gegen Ende der 30er Jahre hat Paul Englisch, der wohl einer der besten Kenner der deutschen erotischen Literatur war, die Entstehungsgeschichte der »Mutzenbacher« (Irrgarten der Erotik 1929 S. 86) folgendermaßen beschrieben: Im Auftrag des Verlegers Freund habe Salten zwei Drittel des Romans fertiggestellt. Als er aber von dem Verleger ein höheres Honorar verlangte, kam es zu einer Auseinandersetzung. Salten brach die Arbeit ab. Für die Fortsetzung des Werkes gewann Freund den Journalisten Willy Handl (gestorben 1930), der das Werk so gut zu Ende führte, daß es nichts von seinem einheitlichem Gepräge verlor. Dagegen berichtet der Wiener Literaturwissenschaftler Gustav Gugitz (1874-1964) unter dem Stichwort »Mutzenbacher« im Bilderlexikon – Literatur und Kunst 1930 S. 692 – daß das letzte Kapitel von dem Verleger Freund selbst oder Willy Handl geschrieben sei. Diese gegensätzlichen Angaben von zwei Kennern der erotischen Literatur drängen den Verdacht auf, daß es sich hierbei um Gerüchte handelt.
Gegen die Autorenschaft Saltens sprechen vornehmlich stilistische Gründe, denn ein solcher pornographischer Roman wie die »Mutzenbacher« paßt einfach nicht zu den Werken eines Tierbuchautors. Aber es muß doch irgendwelche Gründe geben, daß man Salten unbedingt zum Autor eines pornographischen Buches machen wollte: in der Tat hat er ein Erotikon verfaßt, das sich nahtlos in sein bisheriges literarisches Schaffen einordnet. Es handelt sich hierbei um die »Erotischen Märchen«, die 1909 als Privatdruck der österreichischen Bibliophilen erschienen. Verleger dieser gut geschriebenen Sammlung von pornographischen Umdeutungen der Grimmschen Märchen war der bekannte Wiener Verleger C. W. Stern, bei dem auch eine deutsche Übersetzung der »Fanny Hill« von Franz Blei erschien.
Unter Kennern der deutschen erotischen Literatur bestehen keine Zweifel, daß Felix Salten