Was hat der Kampf gegen den Terror mit Krieg zu tun?
Am Abend des 11. September 2001 betrat ich eine Tankstelle. Dort standen etwa zehn Bürger und betrachteten schweigend die Live-Übertragung der Angriffe auf die Türme von New York. Ein schmächtiger Mann, Mitte dreißig, Blue Jeans, schwarzes T-Shirt, lange Haare, trat schließlich aus der Gruppe und bewegte sich Richtung Ausgang. »Morgen«, sagte er in triumphierendem Ton, an niemanden speziell gewendet, »existiert Afghanistan nicht mehr.« Er sagte es stolz und erwartungsfroh. Er winkte, ging hinaus und fuhr weg. Ich weiß nicht, ob der Satz das Ende eines Gesprächs bildete, das vor meiner Ankunft stattgefunden hatte. Aber darauf kam es nicht an.
Seither habe ich oft an den Mann gedacht, für den sich so offenkundig alles vermischte: das frohe Staunen über den Eintritt vonStar Wars ins wirkliche Leben, der Restbestand von Entsetzen, der auch dem abgebrühtesten Kinogänger beim Anblick wirklicher Toter bleibt, der Stolz auf die Erbarmungslosigkeit des D-Day, also die Freude an der Überwältigung, und sei es der eigenen, durch eine unbezwingbare, alles beherrschende Gewalt.
Natürlich wusste er nicht, wie viele uns überlegene Krieger in Afghanistan leben. Er träumte, wahrscheinlich, von irgendeiner unvorstellbaren Vernichtung, von Granaten aus meterdicken Rohren, von einem alles verschlingenden Racheschlag des Großen Bruders, von Arnold Schwarzenegger und Bruce Willis.
Heute wissen wir: So ist es nicht gekommen. Alles ist anders gekommen. Die sogenannten Taliban haben den Krieg gegen uns gewonnen. Den abrückenden Truppen der uneingeschränkten Solidarität werfen sie derzeit noch ein bisschen Kamelmist nach; danach werden sie sich die von uns im Stich gelassenen Hilfstruppen vorknöpfen. Bevor wir unseren lieben Freund Herrn Hamid Karzai und seine Amigos und all die Mädchen befreiten, betrug der Anteil der Opium-Produktion am Bruttosozialprodukt zwei Prozent. Heute sind es vier. Afghanistan produziert heute achtzig Prozent des weltweit hergestellten Opiums.
Im Dezember 2008 wurden in einer Kirche in Uganda 45 Menschen mit Macheten zerhackt. Bei Überfällen auf weitere Kirchen starben im selben Zeitraum weitere 200 bis 500 Menschen. Im Dezember 2009 und Januar 2010 töteten die Täter etwa 600 Menschen und entführten mindestens 160 Kinder. Zwischen Weihnachten und Neujahr 2010 töteten sie mehr als 1000 Menschen. Das Vorgehen ist meist ähnlich: Bei Überfällen auf Bauerndörfer und Kirchen werden die Opfer zusammengetrieben und gefesselt. Erwachsene Männer und ältere Frauen werden mit Äxten und Macheten in Stücke gehackt. Jüngere Frauen und Mädchen werden vergewaltigt und als Sklavinnen verkauft, minderjährige Jungen als Kindersoldaten rekrutiert oder getötet. Seit 1987 soll die für diese Verbrechen verantwortliche Miliz in Uganda, der Zentralafrikanischen Republik, dem Südsudan und Kongo etwa 100000 Menschen ermordet, mehr als eine Million Menschen vertrieben, Zehntausende Frauen versklavt und Zehntausende Kinder entführt und unter Einsatz von Drogen und unvorstellbarerer Gewalt zu sogenannten Kindersoldaten abgerichtet haben. Der Stellvertretende Generalsekretär der OCHA, der Unterorganisation der UNO für humanitäre Angelegenheiten, hat sie als »die wohl brutalste Rebellengruppe der Welt« bezeichnet.
Die Organisation, von der die Rede ist, heißt »Lord’s Resistance Army« (LRA) und verfolgt das Ziel, einen christlichen Gottesstaat unter der Herrschaft der Zehn Gebote zu errichten: zunächst in Zentralafrika, später in der ganzen Wel