: Peter Handke
: Tage und Werke Begleitschreiben zu Büchern und Autoren 2008-2014
: Suhrkamp
: 9783518742327
: 1
: CHF 25.00
:
: Essays, Feuilleton, Literaturkritik, Interviews
: German
: 287
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
2013 feierte Peter Handke, im Stillen und allein, sein Berufsjubiläum: Im Juni 1963 hatte er die Gewissheit, »das Schreiben, Aufschreiben, Verknüpfen, Unverknüpftlassen ist mein möglicher Beruf.« Zum Dasein als Schriftsteller gehört notwendigerweise eine Existenz als Leser. Und über das Gelesene schreibt er dann in der Regel: Solches Wechseln zwischen den Positionen ist Peter Handke, wie seine Essay-Bände seit »Ich bin ein Bewohner des Elfenbeinturms« aus dem Jahre 1972 belegen, zur lieben Gewohnheit geworden. Der vorliegende Band versammelt Texte ausschließlich zur Literatur, also Begleitschreiben zu Autoren und ihren Büchern. Doch unter der Hand verwandeln sich bei Peter Handke die Schreiben zu einem Buch in eine Erzählung. Das geht dann so: » Gestern, am Sonntagabend, ist mir eine besondere Schönheit ?begegnet?, nicht ?angekommen?, wie NOFRETETE, sondern mir begegnend als Schönheit zugleich mich bewegend: Da stieg ich auf gut Glück in den Vorortzug nach Versailles, und mit mir im ziemlich leeren Abteil, da und dort, saßen drei eher junge Männer. Und sie alle drei lasen. Und sie lasen ein jeder ein Buch, und es war das jeweils ein ernstes Buch - es war, Schönheit der Bücher wie der drei Leser, offenbar die alte, die »ernste«, die ewig neue Literatur. Und es wurde so im Waggon Raum, wie selten ein Raum. Und als ich gegen Mitternacht zurückkam mit einem anderen Zug, da saß, gelehnt an die Bahnhofsmauer hier, noch ein so leuchtend ernster Leser, wartend auf den letzten Bus in die Garnison oben auf dem Plateau von Villacoublay. Und so grüße ich alle Euch ernsten Leser zum ?Schreiben als Wiederentdeckung?.«

<p>Peter Handke wird am 6. Dezember 1942 in Griffen (Kärnten) geboren. Die Familie mütterlicherseits gehört zur slowenischen Minderheit inÖsterreich; der Vater, ein Deutscher, war in Folge des Zweiten Weltkriegs nach Kärnten gekommen. Zwischen 1954 und 1959 besucht Handke das Gymnasium in Tanzenberg (Kärnten) und das dazugehörige Internat. Nach dem Abitur im Jahr 1961 studiert er in Graz Jura. Im März 1966, Peter Handke hat sein Studium vor der letzten und abschließenden Prüfung abgebrochen, erscheint sein erster Roman<em>Die Hornissen</em>. Im selben Jahr 1966 erfolgt die Inszenierung seines inzwischen legendären Theaterstücks<em>P blikumsbeschimpfung</em> in Frankfurt am Main in der Regie von Claus Peymann.</p><p>Se tdem hat er mehr als dreißig Erzählungen und Prosawerke verfasst, erinnert sei an:<em>Die Angst des Tormanns beim Elfmeter</em>(1970),< em>Wunschloses Unglück</em> (1972),<em>Der kurze Brief zum langen Abschied</em>(1972),< em>Die linkshändige Frau</em>(1976),<em& t;Das Gewicht der Welt</em> (1977),<em>Langsame Heimkehr</em>(1979),< em>Die Lehre der Sainte-Victoire</em>(19 0),<em>Der Chinese des Schmerzes</em>(1983),&l ;em> Die Wiederholung</em>(1986) <em>Versuchüber die Müdigkeit</em> (1989),<em>Versuchü ber die Jukebox</em> (1990),<em>Versuchü ber den geglückten Tag</em> (1991),<em>Mein Jahr in der Niemandsbucht</em>(1994 ,<em>Der Bildverlust</em>(2002), lt;em>Die Morawische Nacht</em> (2008),<em>Der Große Fall</em> (2011),<em>Versuchü ber den Stillen Ort</em> (2012),<em>Versuchü ber den Pilznarren</em> (2013).</p><p>Auf die<em>Publikumsbeschim fung</em>1966 folgt 1968, ebenfalls in Frankfurt am Main uraufgeführt,<em>K spar. V</em>on hier spannt sich der Bogen weiterüber<em>Der Rittüber den Bodensee</em>1971),< m>Die Unvernünftigen sterben aus</em>(1974),<em&g ;Über die Dörfer</em> (1981),<em>Das</em&g ;<em>Spiel vom Fragen oder Die Reise zum sonoren Land</em>(1990),<em& t;Die Stunde da wir nichts voneinander wußten</em> (1992),über den<em>Untertagblues< /em>(2004) und<em>Bis daß der Tag euch scheidet</em>(2009)&uum ;ber das dramatische Epos<em>Immer noch Sturm</em> (2011) bis zum Sommerdialog<em>Die schönen Tage von</em><em>Aranj ez</em>(2012) zu<em>Die Unschuldigen, ich und die Unbekannte am Rand der Landstraße</em> (...

VonHB zuHB


 

 

 

Eigentlich sollte einem, vielleicht nicht allein meinem, Zorn Luft verschafft und im Niederschreiben Form, oder wenigstens der Anschein davon, verliehen werden. Aber ich schreibe, wieder einmal, mit dem Bleistift, noch dazu einem der mir zum Geburtstag bescherten, nicht bloß durchweg schönen, sondern auch gar weichgrau schreibenden. Und das Bleistiftgeräusch auf dem Papier hörte sich in meinen Ohren, gleich nach dem »Eigentlich sollte« oben, gar freundlich, dazu träumerisch an. Es war eine Art von Klang, ähnlich dem Besen eines Schlagzeugers, und dieser Schlagzeuger sollte, ohne Schlagstöcke usw., beim sachten Streichen und Streifen des Besens über die Unterlage bleiben.

 

Der Bleistift ist, über Geräusch und Klang hinaus, Sprache. Er spricht. Er sagt ein. Er sagt vor. Und was sagt er? Er sagt mir ungefähr folgendes: »Ich wünsche, du mögest selbst von den mutwillig Unverständigen und zerstörungslustig Verstockten wenn nicht verstanden, so wenigstens gelesen, oder wenigstens, wie heißt es, überflogen werden. Deswegen, alter Freund, schreib, ausnahmsweise, tunlichst in Hauptsätzen.« (Der Stift gebrauchte tatsächlich »tunlichst«; hatte er vor meiner Zeit Umgang mit einem Juristen gepflogen?) Und weiter höre ich aus seinem grauen Rauschen auf dem weißen Papier jetzt noch heraus: »Erinnere dich: Einmal, lang ist's her, hast du ein Gedicht geschrieben, auch du, und das hieß ›Der Rand der Trauer‹, und eine Zeile da lautete: ›Am Rand der Trauer‹ – oder hieß es: ›Am Rand der Müdigkeit‹? – ›reden wir alle in Hauptsätzen.‹«

 

Und noch einmal jetzt der Bleistift: »Hör auf, ständig von mir wegzuschielen hin zur Maschine dort im Maschinenwinkel: Auf oder in die Tasten hauen mit rotem Kopf und womöglich gesträubten Haaren, das Farbband oder sonstwas entsprechend auf Rot geschaltet: Nichts da – ich bin es – da bin ich, und meine InitialenHB – zuck davor nicht zurück noch brich mir die Mine – bedeuten ausschließlichHBHB istHB istHB auf uns Bleistiften von Dänemark bis Mali, von Polen bis Indien. Wir sind da nicht für den Weltkrieg, sondern um des lieben Friedens willen, für den Stoff, aus dem die Träume und die Märchen sind, nicht die Alpträume, und nicht die bösen Märchen – die zukunftsweisenden. Also: Weiter im Stoff. Auf in den Stoff mit dir, samt mir!«

 

Nur: Wo steckt in dem aktuellen Stoff der belebende oder erweckende Traum? Wo verbirgt es sich, das Zukunftsmärchen, frei nach dem Vers des Juan de la Cruz im 16. spanischen Jahrhundert: »O Wort, mein Bräutigam, zeig mir den Ort, wo du verborgen bist!«? (Nebensatz nicht von mir.)

 

Und der Stoff? Der Stoff ist ein schier nichtendenwollender, auch nichtkönnender Streit, der Streit um das Haus Suhrkamp, das Haus der dem Einen, dem ungeschriebenen, dem mehr, oder weniger, ewig vorschwebenden Buch, in Gestalt einer Wolke oder von sonst was, nachgeschriebenen Bücher, auf es zugeschriebenen Bücher. Das Suhrkamp Haus, das Haus Siegfried Unseld ist für mich, immer noch und heute grundfester denn je, das deutschsprachige Haus des Geistes (neben anderen, etwas kleineren), eines Geistes, den Johann Wolfgang von Goethe gliedert, will sagen: mit Wortflügeln versehen hat als »das Vorwaltende des oberen Leitenden« (oder so ähnlich).

 

Streit kann etwas Schönes sein. Streit kann beleben, einen für den andern öffnen, gegenseitig belehren. Doch auch ein Streit vor Gerichten? Ein juristischer? Ach, wie selten. Und ganz und gar nichtsnutzig, zu nichts und ins Nichts führend der aktuelle und zugleich schon ewige, andersewige Rechtsstreit um meinen, in der Idee unser aller Suhrkamp Verlag.

 

»Rechtsstreit«: Fast immer ein Euphemismus, und in diesem Fall oder Casus ein spezieller, zutiefst schmerzend wie im übrigen die ganze nicht bloß leidige, nein, leidvolle Angelegenheit, ein Leidwesen, doch nicht aus der Welt zu schaffen mit dem Standardspruch des die Anklageschriften wohl von Anfang an als Initiationsriten und inzwischen als Lebensersatz-Elixier mißbrauchenden ProzeßhammelsHB, des Leibhaftigen, nicht meines Bleistifts hier: »Wir leben schließlich in einem Rechtsstaat, oder nicht?!« »Rechtsstaat«, das hieße nach dem anderenHB also: »Ich benütze ihn nicht bloß, ich nütze ihn aus. Ich schöpfe ihn nicht nur aus« – recht so! – »ich erschöpfe ihn, und zu guter Letzt ist nichts mehr von ihm übrig, weder Rechtsstaat, noch Recht überhaupt, oder vom Recht nichts als der Buchstabe und mein Rechtbekommenhaben!« Ist freilich nicht Grund und Sinn überhaupt von Recht der Geist des Rechts? Ist das alte Wort vom »Geist der Gesetze« demnach so grund- wie sinnlos geworden? Und jeder Rechtsstreit als Lebensspiel spielen Wollende und Geld genug dazu Habende darf diesen Geist flöten gehen oder Bleistifte spitzen lassen solange, bis sowohl Bleistifte wie Geist unauffindbar geworden sind? (Nebensatz von mir.)

 

Statt Traumerzählung also unerzählbarer Alptraum (oder »Albtraum«, wie es Siegfried Unseld geschrieben zu sehen wünschte). Und das Märchen, das böse, mit dem sattsam bekannten, Phantasie oder Zukunftsvorstellung – sind beides nicht und dasselbe? – ausschließenden Personal: Der Patriarch oder König. Seine Frau, böse Stiefmutter, dann Witwe. Der einzige Sohn (schön wie Anthony Perkins im FilmPhädra). Der Erbstreit. Die »Witwe« (möglichst oft zu wiederholen im bösen Märchen das Wort), noch dazu oft schwarz gekleidet, manchmal in schwarzes Leder, ehemalige »Schauspielerin« (auch dieses Wort ständig aufblinken lassen), zur »Schriftstellerin« mutiert, samt Namenswechsel, oftmaligem, gerade noch »Ursula Schmidt« jetzt als Autorin »Ulla Berkéwicz« – aber war das nicht schon ihr Bühnenname? –, dann als Witwe »Ulla Unseld-Berkéwicz«, auf ihren Büchern, bis zum im Frühjahr 2013 erscheinenden »Bändchen« (FAZ-Leitschmähschrift) namens »Reine Erfindung« (laut Weltblatt vielsagender Titel) doch wieder »Ulla Berkéwicz«: reiner Horror, diese Frau!

 

Und frei, oder unfrei, nach den Gesetzen ( ‌?) des bösen Märchens die »Witwe«, »Verlegerin«, »Autorin«, die aber – nachdem sie »von der Schauspielerei [sic] zum Schreiben [sic] gefunden hatte, ohne sich dadurch Aktionen hinter der Bühne und im theatralischen Fach zu entfremden«. Horror über Horror! (Dazu DiktatmeinesHB: »Die Leser sollen das Zitat sich zweimal zu Gemüt führen!«) (Autor: »Jürgen Kaube«, mit Schauspielernamen »Frank Schirrmacher-Steltzner«, Geburtsname »Ignaz Oberursel«, Schriftstellerpseudonym – Wirtschaftskrimi im Taunus –