: Martin Alexander
: Die Chimäre - Silben der Macht Roman
: Verlagsgruppe Lübbe GmbH& Co. KG
: 9783732523528
: 1
: CHF 10.80
:
: Fantasy
: German
: 414
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Ezra sieht aus wie eine gewöhnliche junge Frau, doch der Schein trügt. Zunehmend entwickelt sie besondere Fähigkeiten: Sie ist unmenschlich schnell und zäh, und ihre Sinne schärfen sich. Die Menschen im Dorf meiden sie, und als Inquisitoren der Sonnenkirche auf sie aufmerksam werden, muss Ezra fliehen. Auf ihrer Flucht findet sie heraus, dass sie tatsächlich etwas Besonderes ist: eine Chimäre. Das Ergebnis eines magischen Experiments der drei Türme. Von da an beherrscht Ezra nur noch ein Gedanke: sich an ihren Schöpfern zu rächen und ihren Fluch zu lösen ...



Martin Alexander, geboren 1974, hat mehrere Jahre als Kriminalkommissar gearbeitet, bevor ihn der Wissensdurst packte und er nordamerikanische Geschichte studierte. Seit seiner Kindheit interessiert er sich für alles Fantastische, und er hat ein Faible für untypische Helden. Sein erster Roman Der Meister der Türme stand auf der Shortlist des Seraph für das beste deutschsprachige Fantasydebüt. Alexander lebt mit seiner Frau in Berlin.

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ZU GAST BEI EINEM
MENSCHENFRESSER


17 JAHRE SPÄTER
UNTER DEM EWIGEN BERG, JUNGE BLUTSONNE,
JAHR 24 N.D.U.

Unter dem Berg in Nebenstollen 719 herrschte absolute Finsternis. Doch das störte die beiden kleinen Gestalten nicht. Sie kannten sich hier aus wie in ihrer Westentasche, auch wenn sie ein solches Kleidungsstück gar nicht besaßen. Šurr und Ekšamad waren Enthüller. Sie gehörten der Kaste der Kristallgremlins an, deren Aufgabe es seit jeher war, die Marmorchroniken freizulegen – Inschriften, die der Sonnenvater zu Anbeginn der Zeit in den Fels des Ewigen Berges gebrannt hatte. Die Tafeln enthielten das tagtägliche Schicksal jeder beseelten Kreatur mit Ausnahme der Enthüller selbst. Ohne ihre nimmermüde Arbeit bliebe die Welt stehen. Aber wehe, wenn sie einmal zu schnell gruben. Dann kam es an der Oberfläche zu den fürchterlichsten Katastrophen: Saurer Regen ertränkte Mensch und Vieh, und Zeitenstürme verwüsteten das Land.

Heute waren die beiden Gremlins jedoch nicht im Dienst. Sie waren auf eigene Faust unterwegs, und davon sollte besser niemand etwas mitbekommen – vor allem nicht die Zänker, die im Namen der Sonnenkirche durch die Gänge schlichen und nach faulenzenden Enthüllern Ausschau hielten. Mit ihrenwizkirglani, von den Menschen nur abfällig Hackstöcke genannt, tasteten sich Šurr und Ekšamad klopfend durch die unterirdische Schwärze. An ihrem Kopfende verfügten die knapp einen Schritt langen Eisenstäbe über einen gehärteten Dorn, der einen spitzen Winkel bildete. Derwizkirglan war das Insigne der Enthüller. Darüber hinaus diente er als Spitzhacke, Stemmeisen und zur Not auch als Waffe gegen Felsenwürmer und anderes Geschmeiß. Im Augenblick nutzten die beiden ihre Hackstöcke jedoch lediglich als Schrittzähler.

Klick, klack. Klick, klack.

Langsam, aber sicher näherten sie sich ihrem Ziel. 2096 Schritte in den Stollen hinein und dann an der linken Wand klopfen. So hatte die Anweisung ihres mysteriösen Auftraggebers gelautet. Wenn der Ewige Berg tatsächlich ein Herz hatte, dann war man hier wohl am weitesten davon entfernt.

»2011«, krächzte Šurr.

Ekšamad antwortete mit einem nasalen »2012«. Dann griff er in seinen Beutel, holte etwas Leuchtsand hervor und warf ihn zu Boden. Zischend glühten die Körner auf und verblassten sogleich wieder, doch das kurze Gleißen machte die Augen der Gremlins so empfindlich, dass sie noch für gut hundert Schritte in der Dunkelheit sehen konnten.

Die beiden Enthüller hätten unterschiedlicher kaum sein können. Zwar waren ihnen die katzenhaften Gesichtszüge, die graufleckige Haut und die vierfingrigen Hände gemein, doch damit