: Jeremias Gotthelf
: Leiden und Freuden eines Schulmeisters
: e-artnow
: 9788026845874
: 1
: CHF 1.80
:
: Dramatik
: German
: 745
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Dieses eBook: 'Leiden und Freuden eines Schulmeisters' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Jeremias Gotthelf (1797-1854) war das Pseudonym des Schweizer Schriftstellers und Pfarrers Albert Bitzius. Seine Romane spiegeln in einem zum Teil erschreckenden Realismus das bäuerliche Leben im 19. Jahrhundert. Mit wenigen starken, wuchtigen Worten konnte er Menschen und Landschaften beschreiben. Gotthelf verstand es wie kaum ein anderer Schriftsteller seiner Zeit, die christlichen und die humanistischen Forderungen in seinem Werk zu verarbeiten. Aus dem Buch: 'Ich widerredete dem Pfarrer nicht. Aber als er fort war, kam mir allerhand in Sinn, das ich ihm hätte sagen sollen. Nun stiegen mir auch die Bauren selbst auf den Hals und lästerten fürchterlich, daß ich sie vom rechten Glauben abbringen wolle und wahrscheinlich die Bibel nie gelesen hätte. Wenn die Sonne stille stünde, so hätte Josua sie nicht brauchen stille stehen heißen, und dann würden wir sie auch Tag und Nacht sehen, sagten sie. Und wer lehre, die Erde gehe ringsum, dem gehe sein Gring z'ringset-um, aber nicht die Erde. Wenn wir z'ringset-um gingen und nachts unten wären, so würde ja in keinem Brunnentrog mehr Wasser sein am Morgen, und da sei ja das Wasser das gleiche am Morgen und am Abend.'

Von Mater und Mutter.


Zweites Kapitel


Mein Vater war ein magerer blasser Mann, von Profession ein Weber. Alle Winter hatte er den Husten; und wenn der Winter acht Monate dauerte, wie im Jahr 1836, in welchem es nur während vier Monaten nicht geschneit hat, so hustete er auch acht Monate lang. Meine Mutter war eine Frau, wie man sie auf dem Lande zu Tausenden sieht, nicht groß, nicht klein, ohne besondere Merkmale, aber mit von der Zeit verwitterten Zügen; am Sonntag, oder wenn sie das Haus verließ und gewaschen und gekleidet war, nicht eben häßlich, in der Woche aber und zu Hause oft einem Haaghuuri ähnlicher als einem Menschen. Sie besaßen ein kleines Heimwesen, auf welchem man in guten Jahren eine Kuh und einige Schafe mühselig durchbringen konnte, wenn man alle Äpfel- und Erdäpfel-Schindti sorgsam zu Rate zog. Korn konnte man wenig pflanzen; aber gar viel hielten sie auf Gspünst, weil der Vater ein Weber und die Mutter eine Frau war, d. h. weil sie sich gerne rühmte, so und so viel Flachs und Ryste gemacht zu haben. Das war dem Lande kein Nutzen; es blieb um so magerer. Und daß man um so mehr Brot kaufen mußte, rechnete man nicht, sparte es aber gar ängstlich. Es war zudem ein Gütchen, auf welchem die guten Jahre selten waren, besonders wenn man es nicht recht düngen konnte, sondern der natürlichen Fruchtbarkeit das Gedeihen überlassen mußte. Jener Länder meinte, auf die Frage, ob sie viel Heu gemacht: wo man brav gemistet, hätte es viel Heu gegeben; wo man es aber nur dem lieben Gott überlassen, wäre nichts gewesen. Diese Antwort scheint gottlos zu sein; sie enthält aber den tiefen Sinn, daß Gott nichts thut, wozu er dem Menschen Mittel und Kräfte gegeben, es selbst zu machen. Es lag an eines Waldes Saum, hatte steinichten Boden, viel Schatten, war uneben und wasserlos, bis an das Abwasser vom Hausbrünnchen, das aber in trocknen Jahren einen Wasserstrahl hatte, kaum wie eine Lismernadel. Es gingen einmal fremde Reisende, während man im Dorfe ihre Pferde fütterte, spazierend bei uns vorbei. Als sie in den Baumgarten kamen, wo die Bäume so schon grau und grün unter ihrem Moose und zwischen den Mistelen hindurch guggten, und zum Häuschen, das halb blind hinter seinen papierenen Fenstern sich schämte und sein strohloses Dach mit allerlei Pflanzen und Trümmern bedeckt hielt, halb versteckt in den Bäumen und im Schatten des Waldes – meinten sie: das sei hier doch gar zu romantisch. Ich verstund den Ausdruck nicht, hielt es aber für ein Spott- und Hohnwort, und hetzte hinter dem Tennsthor hervor unsern Spitzi auf sie. Daß es nicht besser aussah, hatte seine zwei guten Gründe. Mein Vater hatte das Gütlein nicht schuldenfrei, sondern er mußte alle Jahre 50 Kronen Zins haben auf demselben. Sein Vater war schon schuldig gewesen. Und er wurde noch mehr schuldig, weil er seinen Schwestern herausgeben mußte. So häufte sich von Geschlecht zu Geschlecht die Schuldenlast an. Gewiß ist aber auch niemand gedrückter, als der Besitzer eines kleinen, verschuldeten Heimwesens, er mag ein Handwerk haben oder keins; der hängt sein Lebenlang zwischen Tod und Leben, kann nicht leben, kann nicht sterben, wenn er auch noch so fleißig ist. Die gemeinen Lasten sind im Verhältnis größer als bei größern Gütern, Verbesserungen lassen sich weniger anbringen; auch hat man nicht die Mittel dazu; was gepflanzt wird, muß ins Haus gebraucht werden; man bleibt hungrig dabei, und muß noch dazu kaufen. Hat man kein Handwerk, so gibt es keinen Nebenverdienst und der Zins kann nicht aufgebracht werden; hat man ein Handwerk und ist nicht sehr gescheut, so pfuschet man auf dem Gut und im Handwerk, treibt keines recht und kom