Zum Leuchtturm ist die Geschichte einer Ehe und einer Kindheit, eine Klageschrift des Verlusts und der Trauer um einflußreiche, geliebte, tote Eltern. Virginia Woolf hätte das Buch lieber als »Elegie« (S. 288) denn als Roman bezeichnet. Auf weniger offensichtliche Weise handelt es auch von der englischen Klassengesellschaft und ihrem radikalen Bruch mit dem Viktorianismus nach dem Ersten Weltkrieg. Es bezeugt das drängende Bedürfnis nach einer Kunstform, die sich, wenn auch unter großen Schwierigkeiten, an diesen Bruch anpassen und auf ihn reagieren kann. Es ist all diese Dinge gleichzeitig.
Da die erzählende Literatur weder Musik ist noch Malerei, noch Film[1] oder unausgesprochener Gedanke, erfordert sie formale Strategien, wenn sie versuchen will, mehrere Dinge gleichzeitig zu sein. Diese Strategien können so komplex sein wie ein ganzes Kapitel, das aus der Perspektive der vergehenden Zeit geschrieben wird, oder so simpel wie ein Einschub in Klammern.
So zum Beispiel denkt Mr Bankes in Klammern an ein Telefongespräch. Er spricht mit Mrs Ramsay über eine Zugverbindung. Dann schaut er aus dem Fenster, »um nachzusehen, wie die Arbeiter mit dem Hotel vorankamen, das sie hinter seinem Haus bauten«. Die »Betriebsamkeit zwischen den unvollendeten Mauern« erinnert ihn an das Unpassende an ihr. Die Bauarbeiten draußen gehen innerhalb einer weiteren Klammer voran – »(sie trugen Ziegelsteine eine kleine Planke hinauf, während er sie beobachtete)« –, während er seine Version von Mrs Ramsays Idiosynkrasien ausbaut. Mehrere Dinge geschehen gleichzeitig: Was er am Telefon zu Mrs Ramsay sagt und was er gern sagen würde; was er von seinem Fenster aus sieht und was er vor seinem inneren Auge sieht; und vor seinem inneren Auge sieht er ihre Schönheit und das Unpassende an ihr. Es existieren auch mehrere Zeiten gleichzeitig: Die Zeit von Mr Bankes’ Erzählung, die unter dem Zwang steht, sich voranzubewegen (»Ja, er würde den um10 Uhr 30 von Euston nehmen«; »Er mußte wieder an die Arbeit« [S. 74]); die Augenblicke, in denen er Mrs Ramsay vor seinem inneren Auge sieht; und, außerhalb von Mr Bankes’ Klammern, der Augenblick, in dem Mrs Ramsay an ihrem Strumpf strickt und mit James redet.
Vieles inZum Leuchtturm spielt sich in Klammern ab: Stumme Gesten – »(sie warf ihm einen versonnenen Blick zu)« (S. 95); Identifikationen von Standpunkten – »(fand James)« (S. 46); Kommentare und Erklärungen – »(denn sie war in sie alle verliebt, in diese Welt verliebt)« (S. 66); Dinge, die sich jemand in Erinnerung ruft – »(und die Rechnung für das Gewächshaus würde sich auf fünfzig Pfund belaufen)« (S. 108); plötzliche Todesfälle; ein Weltkrieg. Der mittlere Teil, »Zeit vergeht«, liest sich wie eine lange Klammer zwischen erstem und letztem Teil. Seine eckigen Klammern umschließen die Fakten des Todes, als gehörten sie einer anderen Sprache an. Die letzten Teile von »Zeit vergeht« quellen geradezu über vor eingeklammerten Passagen über die Rückkehr von Leben ins Haus, die sich dann zum dritten Teil des Romans erweitern. Während Woolf den dritten Teil schrieb und zwischen Lily auf dem Rasen und den Ramsays im Boot hin und her pendelte, stellte sie sich vor, Lily und ihr Bild in Klammern zu Ende zu führen: »Könnte ich es in K