Kapitel 1:
Nichts ist wie zuvor
Ein nahestehender geliebter Mensch ist gestorben und nichts ist mehr, wie es war. Anfangs unter Schock, später mit der Erkenntnis, dass der geliebte Mensch niemals wiederkehren wird, sehen Sie sich vom Schicksal gezwungen, sich neu auszurichten. Etwas, das Sie unter keinen Umständen wollen und in den ersten Wochen und Monaten auch nicht können. Denn ohne den geliebten Menschen zu leben ist undenkbar.
Die folgende Bestandsaufnahme Ihrer Situation ist wichtig, damit Sie sich klar werden können, wo Sie stehen. »Bestandsaufnahme« mag für Sie als Betroffener merkwürdig klingen. Sie mögen sich fragen, ob Sie dieses Geschehen überhaupt so betrachten können oder wollen. Ich möchte Sie einladen, es zu versuchen. Denn so können Sie leichter herausfinden, was Sie brauchen und was Ihnen guttut. Ich helfe Ihnen dabei.
Was geschah und was ist: Bestandsaufnahme
Wer ist gestorben?
Es wird oft angeregt, Trauerfälle nicht zu vergleichen, denn was für den einen kaum zu bewältigen scheint, kann jemand anderem vergleichsweise weniger schwerfallen, ins Leben zu integrieren. Es ist aber in jedem Fall ein großer Unterschied, ob es sich bei dem Verstorbenen um einen Menschen handelt, mit dem wir zusammenleben, den wir täglich sehen, und ob wir mit ihm verwandt sind. In meiner Praxis konnte ich feststellen, dass der Tod des Partners und der Verlust eines Kindes die am tiefsten einschneidende Auswirkung auf unser Leben hat. Das liegt nahe, denn mit diesen Menschen lebten wir in einem Haushalt, haben unsere Geheimnisse und Wünsche geteilt, wir haben uns für deren Wohlergehen verantwortlich gefühlt und sie haben wesentlich, mit ihrem besonderen Wesen, dazu beigetragen, dass wir das Miteinander in vollen Zügen genießen konnten. Das gilt auch für Eltern und Geschwister, mit denen man noch unter einem Dach lebt, für Freunde in Wohngemeinschaften, Mitbewohner aller Art. Auch der Tod von einem Partner, von dem man schon länger getrennt gelebt und mit dem man unter Umständen gemeinsame Kinder hat, kann einen Menschen in eine Trauersituation bringen, mit der weder er noch sein Umfeld gerechnet hat.
Für Menschen, die ohne Kinder und Partner leben, sind oft der Verlust von Eltern, Geschwistern und sogar Haustieren vergleichbar; sie sollen in ihrer Trauer ebenso ernst genommen werden. Ich wünsche mir, dass wir alle im Hinterkopf behalten, dass es für denjenigen, den wir in seiner Trauer vor uns haben, genau das ist, was es für ihn ist: ein schwerer, markerschütternder Verlust, egal was wir für Meinungen, Wahrnehmungen und Erfahrungen haben. Das ist nicht immer leicht. Der Trauernde selbst versteht seine Empfindungen, Vorgänge im Körper und seine Verhaltensweisen nicht und verurteilt sich dafür, dass er nicht wie gewohnt funktioniert und reagiert. Wenn der Trauernde sich selbst schon nicht versteht, wie soll dann das Umfeld dazu in der Lage sein?
Wie ist der Tod eingetreten?
Auch hier sind Unterscheidungen wichtig. Die Todesart und die Todesursache spielen bei der Verarbeitung des Verlustes ebenfalls eine nicht zu unterschätzende Rolle. War es eine lange und quälende Krankheit wie Krebs und spielt Erleichterung, dass der Verstorbene endli