Kapitel eins
Juni
Plitsch.
Plitsch.
Plitsch.
Gleichmäßig, beinahe rhythmisch fielen kleine Tropfen zu Boden, plitschten und platschten …
Zoe riss die Augen auf.
Blinzelnd starrte sie in die Dunkelheit.
Was für Tropfen? Was war das für ein Geräusch, und vor allem … wo war sie?
Sie fröstelte. Ach du lieber Gott! War sie etwa nackt? Unter sich spürte sie etwas Kaltes, Hartes. Steinplatten? Beton? Lag sie auf einem Fußboden? Nein, das konnte nicht sein. Ihre Schläfen fingen an zu pochen. Angestrengt dachte sie nach, versuchte herauszufinden, ob das, was sie gerade erlebte, echt war oder bloß Teil eines makabren Traums, vielleicht auch – schlimmer noch – ein böser Scherz.
Chloe und sie würden um Mitternacht einundzwanzig werden, und mit Hilfe ihrer gefälschten Ausweise war es ihnen gelungen, schon vorher mit der Party zu beginnen. Sie hatten sich einen Drink nach dem anderen bestellt, gelacht, geredet und weitergetrunken. In einem grellen Strudel kehrten die Erinnerungen zurück, die Neonlichter und der lärmige Trubel der Bourbon Street, die bunten Cocktails, angefangen bei Hurricanes in hohen Gläsern, die von der Form her an einen Wirbelsturm denken ließen, über Margaritas in überdimensionierten Plastikbechern bis hin zu Jell-O-Shots – Wackelpudding mit jeder Menge Schnaps in Likörgläsern. Ihr drehte sich der Magen um bei der Vorstellung, was sie alles in sich hineingekippt hatte, nur um den anderen und sich selbst zu beweisen, dass sie endlich volljährig wurde und berechtigt war, Alkohol zu trinken. Ihr Schädel fühlte sich an, als steckte er in einem Schraubstock, der von einem kräftestrotzenden He-Man immer enger gedreht wurde.
Wenigstens war ihr nicht länger schwindelig. Sie dachte daran, wie sich die Welt in wilden Kreisen gedreht hatte, wie die Farben verschwammen, bevor … bevor … ja,bevor was?
Hatte ihr jemand K.o.-Tropfen in einen der Drinks getan, um sie auszuknocken? Vielleicht einer ihrer »Freunde«, der ihr einen Streich spielen wollte? Hatte er sie hierhergebracht, ausgezogen und auf dem kalten Boden – es musste sich um nackten Beton handeln – liegen lassen? Und was war mit Chloe? Wo mochte ihre Zwillingsschwester stecken?
Es gelang Zoe beim besten Willen nicht, die letzten beiden Stunden zu rekonstruieren.
Fakt war, dass sie nun hier lag.
Nackt.
In der Dunkelheit.
Die Arme vor dem Bauch gefesselt.
In irgendeinem nasskalten Raum mit Betonboden, in dem es durchdringend nach Moder und Erde roch.
Als wäre sie bei lebendigem Leibe begraben.
Sie wand sich und spürte, wie etwas Rauhes in die Haut an ihrem Hals schnitt.
Allmächtiger, was ist das denn?
Mit einiger Mühe versuchte sie, die Arme zu bewegen, um die Fesseln zu lockern, aber schon bei der kleinsten Regung schnitt das rauhe Ding – ein Seil? eine Drahtschlinge? – tiefer in ihren Hals. Was hatte das zu bedeuten?
Sie steckte in Schwierigkeiten, so viel stand fest. In großen Schwierigkeiten.
Wenn es sich tatsächlich um einen Scherz handelte, dann um einen von der ganz üblen Sorte. Denn das hier war krank. Gefährlich. Doch wenn nicht … Der Gedanke ließ sie erschaudern.
Durchgefroren bis auf die Knochen, fing sie an zu zittern, aber sie musste sich zur Ruhe zwingen, weil sonst die Schlinge um ihren Hals schmerzhaft ihre Haut aufscheuerte. Als sie die Schultern hob, um das peinigende Ding etwas höher, weg von den offenen Hautstellen, zu schieben, schoss ihr ein brutaler Schmerz durch die Fußknöchel. Ihre Hände waren also mit ihren Knöcheln zusammengebunden, dem Gefühl nach mit einem Nylonseil.
An allen vieren gefesselt und nackt. Das waren die Fakten.Zusammengekauert wie ein Fötus.
»Happy birthday to yooouuu!«
Was war das?
Sie wäre fast aus der Haut gefahren vor Schreck, als sie die geflüsterten Worte hörte, leblos, schnarrend, monoton. Gesungen,