: Jeremias Gotthelf
: Uli der Pächter Ein Bildungsroman des Autors von Die schwarze Spinne, Uli der Knecht und Michels Brautschau
: e-artnow
: 9788026845768
: 1
: CHF 1.80
:
: Historische Romane und Erzählungen
: German
: 440
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Dieses eBook: 'Uli der Pächter' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Der Roman handelt nach 1834 im Berngebiet. Uli erfährt als Pächter in seinem bäuerlichen Umkreis zwar leidvoll die Schlechtigkeit der Menschen, hat aber auch Helfer in der Not. Nachdem Uli sein Vreneli geheiratet hat, pachtet er von Joggeli die Glungge. Joggeli zieht sich mit seiner Frau auf das Altenteil zurück. Die Glunggenbäuerin - das ist Vrenelis Tante - hatte das Mädchen erzogen und hat sie 'lieber als die eigenen Kinder'. Vreneli ist in der Glungge aufgewachsen und hat von der Welt wenig gesehen. Uli besitzt sechshundert Taler und muss Joggeli jährlich achthundert Taler Pacht zahlen. Die Auseinandersetzungen mit Vreneli, die Haushaltung betreffend, lassen nicht lange auf sich warten und dauern über den Roman hinweg an. Zum Beispiel schilt er Vreneli, wenn sie Bettlern Kuchen bäckt. Die Verlängerung der Arbeitsverträge mit dem Personal zögert Uli durch beharrliches Schweigen hinaus. Zwei der besten Knechte nehmen eine andere Stellung an. Während Vreneli im Haus Vorräte horten möchte, will Uli möglichst alles versilbern. Was nichts kostet, gefällt ihm am besten. Bei allen Differenzen hat Uli seine Frau von Herzen lieb. Er weiß, was er an ihr hat... Jeremias Gotthelf (1797-1854) war das Pseudonym des Schweizer Schriftstellers und Pfarrers Albert Bitzius. Seine Romane spiegeln in einem zum Teil erschreckenden Realismus das bäuerliche Leben im 19. Jahrhundert. Mit wenigen starken, wuchtigen Worten konnte er Menschen und Landschaften beschreiben. Gotthelf verstand es wie kaum ein anderer Schriftsteller seiner Zeit, die christlichen und die humanistischen Forderungen in seinem Werk zu verarbeiten.

Zweites Kapitel


Der Antritt der Pacht

Dieses alles dachte Uli nicht, als er am Morgen nach seiner Hochzeit vor das Haus trat, unwillkürlich am Brunnen vorbei hinter das Haus schritt, von wo man einen großen Teil des Hofes übersah, aber Ähnliches regte sich doch in ihm. Ein Weib hatte er errungen, ein besseres gab es nicht, das wußte er. Aber vor ihm stund nun die Welt, an dieser besaß er so viel als nichts; das bedachte er, und bange ward es ihm. Er hatte sie angefaßt, diese Welt, den Kampf mit ihr begonnen, die Pacht um ein großes Gut war geschlossen, in wenig Tagen mußte er sie antreten, übers Jahr mehr als achthundert Taler Zins ausrichten, und diese achthundert Taler überstiegen sein Vermögen. Woher sie nehmen, wenn das Glück nicht auf seiner Seite stund, wem die Welt stärker war als er, ihm nichts ablassen wollte von ihren Schätzen, ihm entriß, was er bereits hatte? Bangen kam über ihn, des Bangens Unruhe fuhr ihm in die Glieder, trieb ihn durch die Ställe, trieb ihn ums Haus herum, bis er wieder stillestund hinter demselben. Äcker und Wiesen rechnend übersah, rechnete und rechnete, daß ihm Hören und Sehen verging darob, daß er nicht wußte mehr, stund er auf dem Kopfe oder auf den Füßen, die Rechnungen sich verschlangen in einander, daß er nicht mehr wußte, wo der Anfang war, geschweige daß er das Ende finden konnte.

Plötzlich wurde er umschlungen; hochauf fuhr er, als ob es wirkliche Schlangen wären. Es war auch eine an Klugheit, aber eine ohne Gift und Galle, wie wir jedem Christen eine ins Haus wünschen möchten; es war Vreneli, das freundlich vor ihn trat, traulich ihm ins Auge sah, beide Hände ihm auf die Schultern legte und sagte: »Aber Uli, Uli, hast die Ohren verloren? Das Frühstück steht auf dem Tische, dreimal rief ich dir und allemal lauter und allemal umsonst. Uli, lieber Uli, fange mir nicht schon an mit Sinnen und Rechnen, weißt nicht, wie leicht man sich erst verrechnet und dann hintersinnet? Laß uns beten und arbeiten, das Andere auf Gott stellen, der soll unser Rechenmeister sein. Der wird schon rechnen, daß es gut kömmt, und der böse Kummer und das plaghafte, ängstliche Wesen, welches immer auf dem Trocknen ertrinken will und an der Sonne erfrieren, kommen nicht an uns. Uli, lieber Uli, wollen wir?« frug Vreneli fast wehmütig und streckte ihm die Hand dar. Uli schlug ein, folgte zum Frühstück, aber heiter ward doch sein Gesicht nicht.

Wahrscheinlich wußte er auch kaum so recht, was er seinem Weibchen versprochen hatte. Es gibt gar viele Menschen, welche sich von einem Gedankenzuge, der sich ihrer bemächtigt hat, kaum mehr losmachen können. Der Gedankenzug reißt sie dahin, und wenn sie schon Rede und Antwort geben, so wissen sie doch nicht worauf und was. Sie sind wie Solche, die in einem Eisenbahnzug dahinfahren und ihre Lieben schreien ihnen nach und sie schreien den Lieben zurück, aber Keines weiß, was geschrieen wird.

Es ist aber wirklich dem guten Uli zu verzeihen, wenn seine Gedanken gefangen und unwillkürlich in einer Richtung dahingerissen wurden, seine Lage war auch darnach. Vor ihm stund in nächster Nähe der Tag, wo er, wie man heutzutage zu sagen pflegt, ein Geschäft übernehmen sollte, welches weit, weit über sein Vermögen, das er so schwer und langsam erworben, ging, ihn in Jahresfrist ohne Wunder und absonderliche Greuel zugrunde richten konnte. Nun, Vielen hätte dieses nichts gemacht. Hunderte springen, wenn sie nur irgendwie ein Geschäft erblicken, mit beiden Beinen hinein, Tausende gar mit dem Kopf voran, ohne sich zu kümmern, mögen die Beine nach oder nicht. Uli gehörte nicht zu dieser Rasse. Uli hatte eine der bedächtigen Berner Naturen und war nicht demoralisiert durch den Zeitgeist, das heißt durch den Schwindelgeist der Zeit. Er besaß tausend Gulden, zirka sechshundert Taler. Vermögen legt der Berner gerne auf solides Unterpfand an, ehedem bloß auf dreifaches, jetzt nimmt man schon mit nur doppeltem vorlieb. Uli aber setzte das seine auf Regen und Sturm, auf Hagel und Dürre, auf Blitz und Seuche. Nicht bloß konnte ihm alles verloren gehen, sondern namentlich wenn Unglück in die Ställe brach, konnte er zwei-, dreimal mehr verlieren