2.
Instinktiv streckte ich die Hände aus, um meinen Sturz abzufangen, musste mich aber irgendwie in der Luft gedreht haben. Ich schlug mit der Schulter auf. Rutschte auf der rechten Seite in den Graben. Und platschte Kopf voran in eine mit brackigem Wasser gefüllte Kuhle. Als wäre das alles noch nicht genug, blitzte unvermittelt ein grelles Licht vor meinen Augen auf.
FUMP!
Für einen Sekundenbruchteil sehe ich nur eine weiße Leere. Dann schält sich ein Bild aus dem Licht. Verschwommen. Nein, eine Bewegung. Milchig. Ein Schatten. Stöhnen, Grunzen. Ein Geräusch. Ein Schmatzen, aber irgendwie metallisch.
FUMP!
Wieder ein Blitz. Eine dunkle Flüssigkeit spritzt in einem düsteren, niedrigen Raum durch die Luft. Ich rieche Kupfer. Blut.
FUMP!
Ächzen. Keuchen. Wie von schwerer Arbeit.
FUMP!
Schreie explodieren in meinem Kopf. Schreie, wie ich sie noch nie gehört habe. Ein verwackeltes Bild. Arme, Körper, Kopf. Ein schattiger, enger Raum. Neonlicht. Dann sehe ich das Messer. Ein verdammt großes Messer. Voller Blut. Es sirrt durch die Luft und trifft den Mund eines blutüberströmten, männlichen Gesichtes, sodass zwischen blutigen Fleischfetzen nur ein groteskes Grinsen übrig bleibt.
FUMP!
Diesmal blendete mich der Blitz noch stärker als zuvor, begleitet von einem mörderischen Stechen in meiner Stirn. Für ein paar Sekunden konnte ich nicht atmen. Panisch riss ich den Kopf hoch und keuchte. Wenigstens bekam ich wieder Luft, auch wenn mir jeder Atemzug wehtat.
Auf einmal war wieder alles normal. Zumindest so normal, wie es eben möglich ist, wenn man im Straßengraben liegt und seinen Kopf aus dem fauligem Wasser ziehen muss, um nicht zu ertrinken. Ich würgte, hustete und spuckte die brackige Brühe aus.
Es fiel mir schwer, mich zu orientieren. Eben hatte ich alles aus der Ich-Perspektive eines anderen gesehen. Als wäre ich derjenige gewesen, der das Messer geschwungen hatte. Jetzt war ich wieder ich selbst.
Was war das? Ein besonders heftiger Tagtraum? Hatte sich mein stressgeplagtes Hirn gerade ausgemalt, wie ich Doktor Gründorf erstach? Oder von Waldensbach?
Nein, zu real für einen Tagtraum.
Etwas stimmte ganz und gar nicht mit mir. Dissoziative Störungen. Meine Wahrnehmung und die Realität stimmten nicht mehr überein. Ein schizophrener Schub. Ein Anfall von Wahnsinn.
Jetzt erwischte es mich wie meinen Vater damals. Psychische Krankheiten waren vererbbar. Das hatte ich nachgelesen.
Der Regen und die Kälte rissen mich endgültig aus meiner Gedankenwelt.
Der Mercedes, der oben auf der Straße stand,