KAPITEL 5
Manchmal ziehe ich mich in meinen Kopf zurück. Es ist kühl und dunkel da drin, und ich schwebe wie eine Wolke – nein, ichbin eine Wolke, so eine, wie man sie an einem windigen Tag am Himmel sieht und die dauernd die Form verändert, nur dass man die Veränderung eigentlich nichtsehen kann. Das passiert einfach so, und plötzlich erkennt man, dass die Wolke, die wie eine große Hand mit dicken Fingern aussieht, auf einmal eher einem Baseballhandschuh oder einem riesigen weichen Fernseher ähnelt. Einfach so.
Jedenfalls war ich mal wieder bei mir im Kopf, gleich nachdem die schöne Gwen mit diesem komischen Gesichtsausdruck weggerannt war: Was wollte er mit meinem kleinen Jungen, wollte er ihn etwa entführen?
Also, ich liege auf dem Boden unter meinem Bett, da ist es so finster, dass man kaum die Sprungfedern und so weiter sehen kann, und bald bin ich ganz woanders, als ob ich schweben würde, und es ist so vollkommen kühl und leer da drin, dass ich an gar nichts denken muss. Ich bin nichts, ich bin niemand, alles ist egal, ich bin überhaupt nicht da.Auszeit.
Nur dass ich diesmal nicht so lange bleiben kann, wie ich möchte, denn jetzt klopft Gram an die Tür und ruft: »Maxwell? Max, bist du da? Bitte antworte, Junge, es ist wichtig.«
Was wird schon sein. Ich zwänge mich aber trotzdem unterm Bett hervor – da unten wird’s auch immer enger –, klopfe mir den Staub ab und mache die Tür auf. Sie hat kein Schloss, aber Gram wartet immer, bis ich »herein« sage, weil sie nicht stören will; da legt sie großen Wert drauf.
»Maxwell«, sagt sie und macht einen kleinen Schritt ins Zimmer, und man sieht es ihr an, dass sie lieber nicht da wäre, sie zieht so ein Gesicht, weil es hier unten so dunkel und unordentlich ist und wahrscheinlich nach meinen Strümpfen riecht oder was weiß ich. »Max, Junge, entschuldige die Störung – du weißt ja, ich komme sonst nie in den Keller – aber eben hat mich Gwen Avery angerufen, und ich glaube, es ist wichtig.«
Oha, denke ich. Da hat die schöne Gwen also schon meine Gram angerufen und ihr wahrscheinlich von einem großen hässlichen Ungeheuer berichtet, das im Keller lebt; ich mache innen dicht und erwarte das Schlimmste.
»Sie hat angerufen und sich entschuldigt«, sagt Gram.
»Hä?«
»Ich nehme an, sie hat ihren Kleinen abgeholt, stimmt das? Du und Kevin, ihr habt Freundschaft geschlossen, nicht wahr?«
Freundschaft geschlossen. Wie bescheuert sich das anhört! Aber Gram kann man ziemlich leicht verletzen, also sage ich das lieber nicht. Ich sage nur: »Ja, kann sein.«
Gram ist nervös, das erkenne ich daran, wie ihr Blick im Zimmer herumhuscht, als ob sie grade die Grenze in ein total fremdes Land überschreitet. Und da kann ich auch gleich hier darauf hinweisen, dass Gram, auch wenn sie meine Großmutter ist, überhaupt nichtaussieht wie eine Oma, eher wie eine Mutter; denn, wie sie immer sagt, war sie »selbst noch ein Kind«, als meine richtige Mutter geboren wurde.
»Hm, na ja, ich hatte den Eindruck, es hat die Ärmste irgendwie erschreckt, dass du so groß bist, und jetzt meint sie, dass sie dich beleidigt hat. Könnte das sein?«
»Möglich. Kennst du die etwa?«
»Aber ja«, sagt Gram. »Gwen war mit deiner Mutter befreundet. Die beiden waren zur selben Zeit schwanger. Später warst du mit dem kleinen Kevin im selben Kindergarten. Hast du das gewusst?«
Ich zucke die Schultern, weil Gram eigentlich gar nicht wissen soll, an wie viel von damals ich mich erinnern kann.
»Sie hat gesagt – und das soll ich