: George Sand
: Indiana Die edle Wilde - Ein Verführungsroman der Autorin von Die kleine Fadette, Die Marquise und Ein Winter auf Mallorca
: e-artnow
: 9788026845508
: 1
: CHF 0.50
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: Hauptwerk vor 1945
: German
: 320
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Dieses eBook: 'Indiana' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. George Sand (1804-1876) war eine französische Schriftstellerin, die neben Romanen auch zahlreiche gesellschaftskritische Beiträge veröffentlichte. Sie setzte sich durch ihre Lebensweise und mit ihren Werken sowohl für feministische als auch für sozialkritische Ziele ein. So rebellierte sie beispielsweise gegen die Beschränkungen, die den Frauen im 19. Jahrhundert durch die Ehe als Institution auferlegt waren, und forderte an anderer Stelle die gleichberechtigte Teilhabe aller Klassen an gesellschaftlichen Gütern ein. Aus dem Buch: 'Das einzige glückliche Geschöpf in dieser Gruppe war ein schöner Jagdhund, welcher seinen Kopf auf die Knie des am Kamin sitzenden Mannes gelegt hatte. Er zeichnete sich durch seinen schlanken Wuchs, seine spitze, fast der eines Fuchses ähnlichen Schnauze und sein kluges Gesicht aus, welches ganz von verwirrten Haaren starrte, zwischen denen zwei große, gelbe Augen hervorglänzten. Diese Augen, die in der Hitze der Jagd so blutgierig blicken können, zeigten jetzt einen Ausdruck von unbeschreiblicher Zärtlichkeit, und wenn der Herr, der Gegenstand dieser Liebe, das silbergraue Seidenhaar des schönen Hundes streichelte, glänzten dessen Augen vor Vergnügen, während sein langer Schwanz den Kamin taktmäßig fegte. Endlich ließ das Tier ein leichtes schüchternes Bellen hören und setzte seine beiden Pfoten auf die Schultern seines geliebten Herrn.'

Fünftes Kapitel


Herr von Ramière irrte in dem wogenden Gedränge der geschmückten Menge herum.

Beim Wiedereintritt in diese ihm heimische Welt schämte er sich fast über die tolle unziemliche Leidenschaft, die ihn diesen Kreisen so lange entfremdet hatte. Er sah auf die im Glanz der Lichter so reizenden Damen, und alle diese wundervollen Schönheiten, diese fast königlichen Toiletten, diese zierlichen Tournüren schienen ihm über die Herabwürdigung, durch die er sich erniedrigt hatte, stumme Vorwürfe zu machen. Doch wie verhärtet er auch war, die Tränen eines armen betrogenen Mädchens schmerzten ihn.

Die Ehre dieses Abends gehörte einer jungen Dame, deren Namen niemand kannte und die durch die Neuheit ihrer Erscheinung in der großen Welt das Vorrecht genoß, die allgemeine Aufmerksamkeit zu fesseln. Schon die Einfachheit ihres Anzuges hätte hingereicht, sie inmitten der Diamanten, Federn und Blumen, welche die anderen Damen schmückten, hervorzuheben. Perlenreihen in ihr schwarzes Haar geflochten, machten ihren ganzen Schmuck aus. Das matte Weiß ihres Halsbandes, ihr weißes Kreppkleid und ihre bloßen Schultern schienen, von fern gesehen, völlig ineinander zu verschmelzen und kaum hatte die Wärme der Gemächer auf ihre Wangen jenen zarten Hauch von Rot hervorzubringen vermocht, den die mitten im Schnee erblühte bengalische Rose trägt. Sie war sehr klein, sehr zierlich und schlank. Beim Tanz war sie so leicht, daß man glaubte, ein Luftzug müsse hinreichen, sie emporzuheben. Wenn sie saß, sank sie in sich zusammen, als fehle ihrem allzu biegsamen Körper die Kraft, sich aufrechtzuerhalten; und wenn sie sprach, lächelte sie, aber mit einem schwermütigen Blick. Man verglich diese junge Frau mit einem durch Zauberkraft hervorgerufenen entzückenden Phantom, welches mit dem Licht des jungen Morgens wie ein Traumbild zerrinnen müsse.

Während man sie umdrängte, um sie zum Tanz aufzufordern, bemerkte eine Dame, welche in den Gesellschaften die Rolle eines Almanachs spielte: »Diese junge Frau ist die Tochter jenes alten Narrn Carvajal, der in Spanien der Partei Josephs anhing und später auf der Insel Bourbon in zerrütteten Vermögensumständen gestorben ist. Diese schöne exotische Blume ist sehr unglücklich verheiratet worden, aber ihre Tante steht bei Hofe gut angeschrieben.«

Raymon hatte sich der schönen Indierin genähert. Eine seltsame Bewegung bemächtigte sich seiner bei ihrem Anblick; dieses bleiche, schwermütige Antlitz hatte er schon irgendwo gesehen, vielleicht in einem seiner Träume; seine Blicke hefteten sich mit der süßen Wonne auf sie, die man beim Wiedererscheinen eines schmeichelnden Traumgesichtes empfindet, welches man für immer verloren zu haben fürchtete. Er erfuhr endlich, daß diese Dame sich Frau Delmare nannte, und nahte sich ihr, sie zum Tanz aufzufordern.

»Sie erinnern sich meiner nicht,« sagte er, »aber ich, Madame, ich habe Sie nicht vergessen können. Und doch sah ich Sie nur einen Augenblick wie im Traume, aber dieser Augenblick zeigte Sie mir so gut, so mitleidsvoll ...«

Frau Delmare erbebte.

»Ach ja, mein Herr,« sagte sie lebhaft, »ich erkenne Sie wieder.«

Dann errötete sie und schien zu fürchten, gegen die Schicklichkeit verstoßen zu haben. Sie blickte sich um, ob jemand sie gehört habe. Ihre Schüchternheit erhöhte ihre natürliche Anmut, und Raymon fühlte sich von dem Ton dieser Stimme, die ein wenig verschleiert und so sanft war, daß es schien, sie sei nur zum Gebet geschaffen, aufs innigste gerührt.

»Ich fürchtete schon,« sagte er, »niemals Gelegenheit zu finden, Ihnen zu danken. Wie glücklich bin ich, daß mir dieser Augenblick erlaubt, die Schuld meines Herzens abzutragen! ...«

»Es wäre mir noch angenehmer,« entgegnete sie, »wenn Herr Delmare seinen Anteil daran haben könnte; wenn Sie ihn näher kennen