Stella Marcus
Fesselspiele – Shadows of Love
Seit zwei Stunden gehe ich das Gespräch in Gedanken immer wieder durch. Aber es hilft nichts. Am Ende höre ich mich jedes Mal in den Hörer flöten: »Ja, natürlich kann ich zwei Wochen früher anfangen. Nein, gar kein Problem. Danke, bis gleich.« Was habe ich mir nur dabei gedacht? Eigentlich muss ich dringend für meine Gesangsprüfung am Semesterende proben. Klausuren stehen auch noch an. Ich weiß so schon nicht, wie ich das alles schaffen soll. Trotzdem genügt ein Anruf, und ich sitze in der riesigen Eingangshalle des Vier-Sterne-Hotels Caspari, mit Rhein- und Domblick. Beides kann ich nicht genießen, weil ich mich furchtbar über mich selbst ärgere. Eigentlich hätte ich heute Abend mein erstes Engagement als Sängerin gehabt. In einem alten Jazzkeller in der Kölner Altstadt. Zwei Stunden lang die Gäste unterhalten und morgen wieder zurück an die Uni. So war der Plan. Jetzt springt eine Kommilitonin für mich ein. Und ich gehe wieder leer aus. Aber es war ja meine Entscheidung. Das Hotel zahlt nun mal mehr. Und das, obwohl ich dort nicht einmal singe, sondern kellnere. Aber was hätte ich sagen sollen? »Bei Ihnen ist eine Thekenkraft ausgefallen? Ob ich früher anfangen kann? Gleich heute Abend? Nein, suchen sie sich wen anders, tschüs.« Wohl nicht. Köln ist eine teure Stadt, und ich muss mein Gesangsstudium ja irgendwie finanzieren. Also warte ich darauf, dass mir die Rezeptionistin zeigt, was ich heute so Dringendes arbeiten soll.
Nancy heißt sie. Das hat sie mir gerade schon gesagt, bevor sie den Anruf eines Stammkunden annehmen musste. Den Gesprächsfetzen nach zu urteilen, die ich mithören kann, möchte jemand ein bestimmtes Zimmer reservieren, das leider schon besetzt ist. Nancy entschuldigt sich schon zum dritten Mal dafür, bleibt aber weiter freundlich und sachlich. Sie reagiert nicht nur äußerst professionell, sie ist auch noch eine wahre Schönheit. Ihre blonden Haare glänzen fast golden. Ihr Lidstrich wirkt absolut natürlich, und ihr knappes schwarzes Kostüm sitzt, als wurde es extra für sie angefertigt. Außerdem ist sie mindestens einen Kopf größer als ich. Aber vielleicht liegt das auch an ihren gefährlich hohen Pumps.
Dagegen wirken meine Ballerinas regelrecht kindlich. Ganz zu schweigen von meinen Haaren! Mein dunkler Bob steht zu allen Seiten ab. Wer mich sieht, muss denken, dass ich gerade frisch aus dem Bett gefallen bin. Aber um meine dünnen Fransen zu bändigen, brauche ich einfach mehr Zeit. Und es ging ja alles so schnell. Nicht einmal meine Bluse konnte ich noch bügeln. Jetzt muss ich den ganzen Abend meinen Blazer tragen, weil sonst jeder die Falten sieht. Sehr professionell. Und zuknöpfen kann ich ihn auch nicht. Er hat nämlich nur einen Knopf, und wenn ich den schließe, drückt der Stoff meinen üppigen Busen unnatürlich zusammen. Doch eine andere dunkle Jacke habe ich leider nicht.
Eigentlich trage ich nie Schwarz, weil mich das extrem blass aussehen lässt. Leider ist es genau die Farbe, die hier fürs Personal vorgeschrieben ist. Nancy steht Schwarz natürlich prima. Kein Wunder. Ihr zartbrauner Teint sieht aus, als käme sie gerade frisch aus dem Spanienurlaub. Da kann ich nicht mithalten – in keiner Hinsicht. Vielleicht sollte ich einfach aufstehen und wieder gehen, bevor ich mich total blamiere.
»Schicker Blazer.« Eine tiefe Stimme reißt mich aus meinen Gedanken und lässt mich erschrocken aufblicken. Wenige Schritte neben mir steht ein etwa dreißigjähriger Mann im Smoking. Auf den zweiten Blick sehe ich, dass er nur die Smokingjacke trägt, die perfekt sitzt, und dazu eine dunkle Jeans. Eine gewagte Kombination. Doch sie steht ihm. Er sieht damit gleichzeitig elegant und lässig aus. Außerdem betont die Jeans seine langen Beine. Sicher sitzt sie auch an seinem Hintern perfekt. Habe ich das gerade wirklich gedacht? Der ganze Stress steigt mir wohl langsam zu Kopf.
»Er betont deine Figur«, setzt er nach, als ich nicht antworte. Dabei wandert sein Blick ungeniert über mein Dekolleté. Mir wird ganz heiß. Darf er das? Andererseits habe ich gerade über seinen Hintern philosophiert. Dieser Gedanke pumpt mir weiter die